Wenn es die Bundesregierung nicht schafft, bis zum Herbst einen Gesetzesentwurf zur Reform des Werbeverbots bei Abtreibungen vorzulegen, will die SPD andere Mehrheiten dafür finden. Das teilte der Parteivorstand am Montag mit. Die SPD selbst wünscht eine Streichung des Paragrafen 219a. „Sexuelle Selbstbestimmung kann nur dann gelebt werden, wenn alle Menschen freien Zugang zu sachlichen Informationen über medizinische Behandlungen haben“, heißt es in einer Mitteilung.
Die Sozialdemokraten schlagen einen Gruppenantrag im Bundestag vor, „um eine möglichst breite parlamentarische Mehrheit zu finden, bei der jede/r einzelne Abgeordnete nach seinem/ihrem Gewissen abstimmen kann“.
Union erneut unter Druck
Diese Ankündigung setzt vor allem den Koalitionspartner Union erneut unter Druck. Dieser hatte sich gegen eine Abschaffung des Paragrafen 219a ausgesprochen. Es sei „kein konstruktiver Beitrag zur Problemlösung, sich öffentlich Fristen zu setzen“, zitierte die Deutsche Presse-Agentur (dpa) am Dienstag den Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer. Seine Fraktion wolle einen entsprechenden Vorschlag der Bundesregierung zum Thema abwarten.
Um Streit innerhalb der Großen Koalition zu vermeiden, hatte die SPD einen Gesetzesvorschlag zur Streichung zurückgezogen. CDU und CSU verwiesen das Thema im März an die Bundesregierung. In den zuständigen Ministerien solle nach einer Kompromisslösung gesucht werden, hieß es. Damit war der Streit vorerst vertagt.
Während sich Union und AfD bereits gegen eine Reform des 219a aussprachen, haben die Fraktionen der Grünen, der FDP und der Linken erste Entwürfe für eine Änderung des Strafgesetzbuches vorgelegt. Grüne und Linke fordern die Streichung. Die FDP spricht sich dafür aus, den Paragrafen zwar beizubehalten, ihn aber so zu verändern, dass nur noch Werbung unter Strafe steht, die „in grob anstößiger Weise erfolgt“. Dazu gabe es eine erste Aussprache im Bundestag.
Der Debatte vorrausgegangen war ein Richterspruch gegen die Ärztin Kristina Hänel. Am 24. November verurteilte das Gießener Amtsgericht sie zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro, weil sie auf ihrer Webseite darauf hingewiesen hatte, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen und Frauen auf Wunsch weitere Informationen dazu anbot. Hänel hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.
Von: Anna Lutz