Ethikrat: Kein Anspruch auf staatliche Unterstützung bei Suizid

Der Deutsche Ethikrat verneint den Anspruch auf staatliche Unterstützung beim Suizid. Zu diesem Thema hat das Gremium eine Ad-hoc-Empfehlung abgegeben. Damit widerspricht der Ethikrat einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom März.
Von Johannes Blöcher-Weil
Laut einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts dürfen Mediziner Schwerkranken den Zugang zu einem tödlichen Medikament nicht verweigern. Der Deutsche Ethikrat kritisierte diese Entscheidung (Symbolbild)

Anfang März hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, das allgemeine Persönlichkeitsrecht erlaube es auch, „für einen schwer und unheilbar kranken Patienten, zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt sein Leben beendet werden soll, vorausgesetzt, er kann seinen Willen frei bilden und entsprechend handeln“. Daraus könne sich im extremen Einzelfall ergeben, dass der Staat den Zugang zu einem Betäubungsmittel nicht verwehren darf, das dem Patienten eine „würdige“ und schmerzlose Selbsttötung ermögliche.

Jetzt hat sich der Deutsche Ethikrat in einer Ad-hoc-Erklärung mehrheitlich gegen eine staatliche Unterstützung beim Suizid ausgesprochen. Das Urteil widerspreche ethischen Grundwerten. Es zwinge es das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte dazu, „Suizidwünsche anhand bestimmter materieller Kriterien zu überprüfen und gegebenenfalls ihre Umsetzung durch eine Erlaubnis zum Erwerb einer tödlich wirkenden Substanz zu unterstützen“, anstatt nur das Selbsttötungsverlangen der Betroffenen zu achten.

Staatliche Instanz wird zum Verpflichtungsadressaten

Auf diese Weise werde eine staatliche Instanz zum „Verpflichtungsadressaten der Selbsttötungsassistenz und diese von einer staatlichen Bewertung und Erlaubnis abhängig gemacht“. Das widerspreche der zuletzt noch einmal im Strafgesetzbuch zum Ausdruck gebrachten und dem gesamten System des rechtlichen Lebensschutzes zugrunde liegenden ethischen Leitidee der staatlichen Neutralität gegenüber Lebenswertvorstellungen, und stelle zugleich die höchstpersönliche Natur von Suizidwünschen infrage.

Die Vorstellung, diese könnten staatlich bewertet und legitimiert werden, sei geeignet, diejenigen sozialen Normen und Überzeugungen zu schwächen, in denen sich der besondere Respekt vor jedem menschlichen Leben ausdrücke. Sie laufe damit auch der zentralen Forderung einer Stärkung suizidpräventiver Maßnahmen und Strukturen zuwider.

Minderheit hält Urteil für ethisch wohl erwogen

Eine Minderheit des Deutschen Ethikrates hält das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts dagegen für ethisch wohl erwogen und begrüßenswert. Ihr zufolge stehe es im Einklang mit der dem Notstandsprinzip zugrunde liegenden Moralpflicht, vor allem in existenziellen Grenzfällen ein generell begründbares Verbot nicht zum Gebot der Unmenschlichkeit werden zu lassen. Nach Auffassung der Minderheit sollte dies im Sinne einer klarstellenden und präzisierenden Regelung in das Betäubungsmittelgesetz aufgenommen werden.

Ungeachtet dieses Dissenses bekräftigt der Deutsche Ethikrat die Forderung nach einer Stärkung suizidpräventiver Maßnahmen sowie nach einem Ausbau nicht nur der Hospiz- und Palliativversorgung im ambulanten und stationären Bereich, sondern allgemein der Versorgung von Menschen in der letzten Lebensphase. Mehrheitlich empfiehlt er, entgegen der vorgeschlagenen Neuausrichtung des normativen Ordnungsrahmens an dem zuletzt noch einmal legislativ bekräftigten ethischen Grundgefüge festzuhalten und nicht der gebotenen Achtung individueller Entscheidungen über das eigene Lebensende eine staatliche Unterstützungsverpflichtung zur Seite zu stellen. (pro)

Von: jw

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