„Wo ist Ihr Kreuz?“

Bei Flüchtlingen, die als Asylgrund Verfolgung aus Glaubensgründen angeben, prüft das Bundesamt für Migration mit Fragen zur Religion die Wahrhaftigkeit ihres Bekenntnisses. Ein Berliner Pfarrer führt Buch über die Glaubenstests der Behörde. pro zitiert aus seinen Protokollen.
Von Anna Lutz
Geflüchtete Christen, die in Deutschland bleiben wollen, weil sie in ihrer Heimat verfolgt werden, sind den Deutschen Behörden Rechenschaft schuldig

Um Asyl in Deutschland zu bekommen, hört das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Geflüchtete an und prüft anhand ihrer Aussagen, ob es nachweisbare Gründe gibt, die sie zu einem dauerhaften Aufenthalt berechtigen. Das geschieht auch, wenn die Asylsuchenden in ihrer Heimat aus Glaubensgründen verfolgt werden.

Pfarrer Gottfried Martens von der Evangelisch-Lutherischen Dreieinigkeits-Gemeinde in Berlin-Steglitz hat zahlreiche Flüchtlinge getauft, die sich vom Islam ab- und dem christlichen Glauben zugewandt haben. In ihrer Heimat und auch in deutschen Flüchtlingsunterkünften werden sie seinen Angaben nach deshalb von Landsleuten drangsaliert und bedroht.

Martens begleitet die Verfolgten zu den Anhörungen des Bundesamtes und dokumentiert die in seinen Augen fragwürdigen Techniken des Staates, die Wahrhaftigkeit des Glaubens zu prüfen. pro zitiert im Folgenden aus seinen Protokollen der Befragungen.

Die Fragen des BAMF:

„In wenigen Tagen besucht die Königin von Dänemark Wittenberg und im nächsten Frühjahr der König der Niederlande. Können Sie sich vorstellen, warum diese Majestäten nach Wittenberg fahren?“

„Was ist die weltliche Hauptstadt des christlichen Glaubens?“

„Wo ist Ihr Kreuz? Christen tragen in der Regel ein Kreuz.“

„Warum tragen Sie denn eine Kreuzkette? Ich frage, weil es für einen Gläubigen der evangelisch-lutherischen Gemeinde nicht gewöhnlich ist, ein Kreuz zu tragen, wie etwa für einen Gläubigen der katholischen oder orthodoxen Kirche.“

„Kennen Sie die Namen der Söhne aus dem Gleichnis vom verlorenen Sohn?“

„Wie starb Martin Luther?“

„Wie lautet ihr Taufspruch?“

„Warum haben Sie sich ausgerechnet diesen Taufspruch ausgesucht ?“

„Warum haben Sie sich gerade für den evangelischen und nicht für den katholischen Glauben entschieden?“

„Sagt Ihnen der Ortsname Wittenberg etwas?“

„Ich verstehe nicht ganz, dass es Ihre Pflicht ist, im Iran zu sagen, dass Sie Christ sind…“

„Können Sie mir Ihre Lieblingsstelle in der Bibel nennen?“ (Gemeint ist hier, wo die Geschichte in der Bibel steht, nicht der Inhalt, Anm. d. Red.)

„Was steht Ostern in der Kirche auf dem Tisch?“

„Warum zahlen Sie keine Kirchensteuer?“

„Die Bibel ist auch im Islam eine heilige Schrift und frei erhältlich; warum versuchten Sie nie, sich eine zu kaufen?“

„Warum haben Sie die Bibel nicht vollständig gelesen?“

„Können Sie mir die wesentlichen Ansätze Luthers nennen?“

„Wie oft halfen Sie anderen Menschen?“

„Wie versteht sich die Dreifaltigkeit mit der Allmacht Gottes?“

„Wenn Jesus alle Menschen gleich liebt, warum ist dann Johannes sein Lieblingsjünger?“

„Was kennen Sie noch für Konfession und was sind die Unterschiede?“

„Martin Luther ist eine wichtige Person im Evangelium. Was wissen Sie über ihn?“

„Die Taufe geht auf eine bestimmte Sünde zurück; können Sie mir diese erklären?“

„Wie verträgt sich die Erbsünde mit einem vergebenden Gott?“

Martens hat auch die Gründe für die Ablehnung von Asylanträgen dokumentiert. Im Folgenden einige Auszüge seiner Protokolle:

„Auch gaben die Antragsteller an, sich für den christlichen Glauben entschieden zu haben, weil einem dort die Sünden vergeben werden. […] Vergebung durch die Gottheit ist allerdings in allen Religionen verankert. Auch die Priester aller übrigen Religionen dieser Welt behaupten, dass sie ähnliche Gnaden der Vergebung ihrer jeweiligen Gottheiten vermitteln könnten, wenn die Gläubigen nur entsprechende Zeichen der Reue erkennen ließen oder zumindest Gegenleistungen erbringen würden. Und bisweilen gibt es sogar ähnliche Erlösungstaten in außerchristlichen Mythologien wie den Tod des Osiris bei den alten Ägyptern und seine Auferstehung. Die Predigt von der Vergebungs- und Versöhnungsbereitschaft einer Gottheit gehört zum Repertoire aller Religionen. […] Der Vortrag der Antragsteller, dass sie zum Christentum konvertiert seien, um Vergebung der Sünden zu erhalten, kann demnach gerade nicht als Erklärung für eine Konversion herhalten.“

„Nach Kenntnis des Bundesamtes ist es im Iran allgemein bekannt, dass jegliche Missionierung zum Christentum durch die Iranischen Staatsorgane strengstens geahndet wird und zu Geld- und Haftstrafen sowie theoretisch auch zur Todesstrafe führen kann. […] Unter Würdigung dieses Umstands ist es daher nicht nachvollziehbar, warum der Antragsteller durch den Besuch der Hauskirche bei einem Freund ein derart hohes persönliches Risiko für sich eingehen würde.“

„Folglich kann nicht angenommen werden, dass die Antragstellerin den bereits im Iran ausgelebten christlichen Glauben fortführt, kennt doch die Antragstellerin noch nicht einmal den Zeitraum der christlichen Feiertage.“

„In diesem Fall ist dem Antragsteller eine gewisse Leichtgläubigkeit zu unterstellen, was den Gesamtvortrag in seinem Fortlauf als unglaubwürdig unterstreicht.“

„So scheint eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Christentum nicht erfolgt zu sein. Der Antragsteller gab an, dass er weder die Unterschiede der Konfessionen kenne, noch konnte er substantiiert erklären, warum er sich für die evangelisch-lutherische Glaubensrichtung entschieden habe. Die Aussage ‚…er wolle einfach nur Christ werden …‘, zeugt nicht von einer intensiven Auseinandersetzung eines identitätsprägenden Glaubenswandels.“

Kein standardisierter Fragenkatalog

Auf Anfrage von pro hat sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu Martens Vorwürfen geäußert. Ob die Fragen tatsächlich so gestellt worden seien, könne man weder bestätigen noch widerlegen. Einen standardisierten Fragenkatalog gebe es nicht. Auch über die Ansprüche des Amtes an Asylsuchende gibt die Behörde schriftlich Auskunft: „Für Befragungen in der Anhörung zur Konversion gilt, dass sie nicht auf ein reines Glaubensexamen hinauslaufen dürfen. […] In diesem Zusammenhang wird vom Konvertit aber durchaus erwartet, dass er ausführlich schildern kann, welche Beweggründe er für die Konversion hatte und welche Bedeutung die neue Religion für ihn persönlich hat.“

Der Antragssteller müsse glaubhaft machen, „dass er seine Konversionsreligion bei Rückkehr in sein Heimatland ausüben wird und dass ihm deswegen dort eine asylrelevante Verfolgung droht“. (pro)

Von: al

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