In Deutschland predigen aktuell 970 Imame, die von der türkischen Religionsbehörde beauftragt wurden. Dieses Modell stößt in der Politik auf Skepsis. Die Kritiker sehen in dieser Methode den verlängerten Arm des türkischen Staates.
Viele Kritiker sehen in den Imamen in Deutschland den verlängerten Arm des türkischen Staates und damit von Präsident Recep Tayyip Erdoğan
Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) kontrolliert rund 900 Moscheen in Deutschland. Zudem entsendet sie zurzeit 970 Imame nach Deutschland. Politiker unterschiedlicher Parteien kritisieren dies, berichtet die Wochenzeitung Welt am Sonntag (WamS) in ihrer aktuellen Ausgabe. Neuköllns Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sieht es demnach kritisch, wenn Imame predigen, „die nicht nach dem deutschen Werteverständnis ausgebildet und nicht hier aufgewachsen sind“.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) lehnt „politisch-religiöse Missionierungsversuche aus dem Ausland ab“. Der türkischstämmige Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir lobt die „tolle Arbeit vieler engagierter Gemeindemitglieder“, sieht den Dachverband aber als „verlängerten Arm des türkischen Staates“. Lob kommt dagegen aus dem Bundesinnenministerium, das die „kontinuierliche und konstruktive“ Mitarbeit des Verbandes in der Deutschen Islamkonferenz hervorhebt.
Wo der Märtyrer-Tod hochgehalten wird
WamS-Journalist Joachim Wagner bezeichnet die Ditib-Imame als „Prediger des Präsidenten“. Erdogan habe in einer Rede 2015 „Religion und den Glauben als unser Alles“ bezeichnet. Die Imame beteiligten sich an Entscheidungen der Vereine und Landesverbände. Der türkische Staat könne so seine Auslandsgemeinden steuern. Insgesamt nehme der Verfassungsschutz einen „anderen Wind“ in den Gemeinden wahr, die eigentlich nur religiöse, kulturelle und soziale Ziele verfolgen dürften.
In vereinzelten Gemeinden werde bewusst Antisemitismus geschürt und das Ansehen des Märtyrer-Tods hochgehalten. Der Freiburger Religionswissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi sieht darin ein „konservatives Religionsverständnis, das vom Islam des 7. Jahrhunderts geprägt“ sei. Nach den Anschlägen von Paris habe sich die Ditib allerdings öffentlich vom Terror distanziert.
„Mega-Projekt“ Moschee in Köln
WamS-Redakteur Wagner beobachtet mangelnde Sensibilität und bewusstes Wegschauen der Gemeinden. Diese verstrickten sich in Radikalismus oder lockten mit attraktiven Freizeitangeboten, um Menschen zu missionieren. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sieht in der Ditib einen „unverzichtbaren Partner“ für den Interreligiösen Dialog, beim Entwurf von Richtlinien für den Religionsunterricht und bei der Integration von Flüchtlingen. Dagegen hält es der Wissenschaftler Ourghi für gefährlich für die Integration, „wenn über die Zukunft der Religion unserer türkischen Mitbürger im Ausland entschieden wird“.
Der Zentralrat der Muslime hat die Maßnahme unterdesen verteidigt. „Die Ditib-Imame sind verfassungstreu, predigen einen gemäßigten Islam“, sagte der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek der Neuen Osnabrücker Zeitung. Sie trügen so wesentlich zum „Bollwerk gegen Fanatiker und Radikale“ bei. Mazyek nannte Forderungen nach Absetzung der Imame aus der Türkei „verfassungswidrig“ und „von Doppelmoral durchzogen“. Würde man diese Imame jetzt alternativlos absetzen, stärke das die Extremisten.
Ein Beispiel aus der Praxis beschreibt Tim Röhn in einem weiteren WamS-Beitrag. Den Bau der Kölner Moschee hätten die politischen Befürworter mit der Hoffnung auf „einen kölschen Islam“ in liberaler und moderner Ausprägung verbunden. Ängste und Vorurteile sollten mit dem „Mega-Projekt“ abgebaut und ein funktionierendes Miteinander geschaffen werden.
Der frühere Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) sieht die Euphorie von damals verklungen. Er befürchtet, dass Erdogan und seine Partei AKP Einfluss auf die Ditib und die Arbeit in Köln nähmen. Diese hielten nicht allzu viel von einer modernen Interpretation des Islam. Mittlerweile hätten sich die ursprünglichen angedachten Baukosten auf 35 Millionen Euro verdoppelt und die Moschee werde sicher „irgendwann fertig“. „So Gott will. Oder Ankara“, schreibt Röhn. (pro)
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