Eine Woche vor den ersten Vorwahlen in den USA haben sich prominente Evangelikale von Donald Trump distanziert, andere springen ihm zur Seite. Vom Streit profitiert ein Kandidat, dem noch vor kurzem wenig Chancen auf den Sieg eingeräumt wurden. Eine Analyse von Moritz Breckner
Donald Trump mag es persönlich: Auf Facebook und Twitter beleidigt er jeden, den er als Feind betrachtet (Archivbild)
Amerikas Evangelikale sind gespalten: Unmöglich könne man als Christ bei den Vorwahlen zur republikanischen Präsidentschaftskandidatur Donald Trump unterstützen, sagen die einen. „Doch, natürlich“, sagen andere wie Sarah Palin, die ihren Hut für den Immobilien-Milliardär in den Ring geworfen hat. Die öffentlichkeitswirksame Unterstützung durch die ehemalige Gouverneurin Alaskas wird von den Medien als klares Signal an die Evangelikalen gewertet und soll Trump helfen, seine laut Umfragen ohnehin starke Position in deren Lager zu festigen. Glaubt man nämlich den Demoskopen, liegt Trump nicht nur unter den republikanischen Wählern, sondern auch unter deren evangelikalem Flügel vor seinen Mitbewerbern.
Ein Blick in Trumps Vorstellung vom Christentum bot sich am Mittwochabend auf Fox News. Der Milliardär hatte seine Teilnahme an der Kandidaten-Debatte des Senders abgesagt, weil die Moderatorin Megyn Kelly ihm in der letzten Diskussionsrunde eine kritische Frage gestellt hatte. Moderator Bill O’Reilly konfrontierte Trump mit der Frage, ob er als Christ nicht auch Journalisten vergeben sollte, anstatt sie zu beleidigen. „Tja vielleicht, aber es heißt auch ‚Auge um Auge‘, und so kann man es auch sehen“, antwortete Trump.
Eine Mitte dieser Woche veröffentlichte Umfrage zu Trumps Glauben zeigt: 60 Prozent der Befragten halten Trump entweder für „nicht wirklich“ oder „gar nicht“ religiös. Zu Beginn seines Wahlkampfes 2015 hatte Trump erklärt, an Gott zu glauben, aber ihn noch nie um Vergebung gebeten zu haben. Bei einer Rede vor Studenten der evangelikalen Liberty-Universität Mitte Januar zitierte er den zweiten Brief an die Korinther, nannte ihn aber nicht „Zweiter Korinther“, sondern „Zwei Korinther“. Das reichte, um im amerikanischen Wahlkampf für landesweite Diskussionen in den Medien zu sorgen. Als der Präsident der Universität, Jerry Falwell Junior, öffentlich seine Unterstützung für Trumps Wahlkampf bekanntgab, fand das mancher Absolvent der Hochschule blamierend.
Prominente Evangelikale wenden sich ab
Warum Trump bei vielen Evangelikalen auf Zustimmung trifft, können sich einige Prominente der Szene nicht erklären. Gary Bauer, ein evangelikaler Lobbyist, und Tony Perkins, Präsident der Familienlobby „Family Research Council“, erklärten vor wenigen Tagen ihre Unterstützung für den texanischen Senator Ted Cruz und stellten sich damit gegen Trump. Perkins ist übrigens, wie Trump über CNN verlauten ließ, schuld am „Zwei-Korinther-Zwischenfall“. Perkins habe ihm einen Zettel gegeben mit Dingen, die er sagen solle, und Trump habe gedacht: „Tony muss es ja wissen.“ Perkins konterte ebenfalls auf CNN: „Ich habe 2. Korinther 3, 17 aufgeschrieben, so, wie es geschrieben wird. Er ist einfach nicht vertraut mit der Bibel.“
Cruz ist der überraschende Profiteur von absurden Possen wie dieser. Der konservative Baptist und Sohn eines Pastors spricht viel von Gottesfurcht, von Werten und der Solidarität mit Israel, Themen, die Evangelikalen wichtig sind. Galt er vor wenigen Monaten noch als zu extrem, um Wechselwähler anzusprechen, ist er nun in Umfragen der einzige Republikaner, der überhaupt noch eine Chance hat, Trump die Nominierung streitig zu machen. Erstaunlich ist, dass der besonnene Neurochirurg Ben Carson, ebenfalls als Liebling christlicher Wähler gehandelt, von der Suche nach einem Anti-Trump nicht profitieren kann.
Bereits seit Sommer 2015 kämpft Matt Walsh, einer der bekanntesten christlichen Blogger Amerikas, gegen die Präsidentschaftskandidatur Trumps. Er nennt den Immobilienmogul „falsch“, „narzisstisch“ und „eine Blamage für den Konservatismus“. „Wer einen Mann wählt, der sich selbst mehr anbetet als Gott, der verdient die Tyrannei, die dann folgt“, schrieb Walsh vergangene Woche auf dem Nachrichtenportal The Blaze. „Ich habe tausendfach vergeblich versucht, Trump-Fans zur Besinnung zu bringen“, erklärt er. Die Mischung aus „Trumpismus“ und Christentum sei eines der „komischsten, groteskesten Phänomene“, das er je gesehen habe“.
Trump unterstützte das Recht, abzutreiben
Neben Trumps offenbaren charakterlichen Schwächen wie seiner Gewohnheit, jeden öffentlich zu beleidigen, den er nicht leiden kann, werden dem Neu-Politiker politische Aussagen aus der Vergangenheit zum Verhängnis, die ihn jetzt einholen. So hat Trump vor Jahren die Möglichkeit legaler Abtreibungen unterstützt (pro Choice), bevor er sich zur „Pro-Life“-Bewegung bekannte. Eine christliche Frauengruppe warnt nun entsprechend die Wähler in Iowa: „Wählt jeden, außer Donald Trump“. Bei der Verteidigung des ungeborenen Lebens könne man Trump nicht über den Weg trauen, außerdem habe er oft abfällig über Frauen gesprochen. Zu den Unterzeichnern des Aufrufs gehört Beverly LaHaye, Gründerin der evangelikalen Lobby „Concerned Women for America“ und Ehefrau des Autors Tim LaHaye („Finale“-Reihe).
Donald Trump geht am 1. Februar mit einem Vorsprung in den Umfragen in die Vorwahl von Iowa. Evangelikale Wähler haben besonders im Süden und mittleren Westen einen so großen Einfluss auf die republikanischen Vorwahlen, dass sie einen Sieg Trumps und somit seine Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Partei verhindern könnten. Trotz prominenter Mahner sieht es aber derzeit nicht danach aus, als ob sie das wollten. (pro)
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