Am Freitag hat das Parlament in Berlin einem Gruppenantrag unter der Federführung der Abgeordneten Michael Brand (CDU) und Kerstin Griese (SPD) mehrheitlich zugestimmt und dadurch die „geschäftsmäßige Sterbehilfe“ in Deutschland zukünftig unter Strafe gestellt. Der fraktionsübergreifende Antrag „Brand/Griese“, der heute beschlossen wurde, stellt die geschäftsmäßige Förderung der Sterbehilfe unter Strafe und verankert dies im Strafrecht. Bei Verstößen gegen das Sterbehilfegesetz drohen nun Haftstrafen bis zu drei Jahren.
Zur endgültigen Beschlussfassung war wegen der Vielzahl der Anträge eine Abweichung des Verfahrensganges von der Geschäftsordnung im Deutschen Bundestage erforderlich gewesen, die zuvor mit Zweidrittelmehrheit von den Abgeordneten beschlossen werden musste. Insgesamt galt es, zwischen vier alternativen Gesetzesentwürfen zunächst in einer Vorabstimmung zu entscheiden. Dabei erhielt der Gruppenantrag „Brand/Griese“ insgesamt 309 Stimmen und wurde danach in dritter Lesung zur Abstimmung gebracht und beschlossen. Bei der endgültigen Abstimmung konnte der Antrag „Brand/Griese“ dann 360 der 602 Abgeordneten auf sich vereinen, 233 Abgeordnete stimmten dagegen, neun enthielten sich der Stimme.
Insgesamt hatten die Abgeordneten über vier Gesetzesentwürfe verschiedener Parlamentariergruppen zur Neuregelung der Sterbehilfe debattiert, die gegenüber dem Antrag Brand/Griese letztlich zurückstehen mussten. Eine Gruppe Parlamentarier um Peter Hintze (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) hatte sich gegen eine Verschärfung des Strafrechts ausgesprochen und dafür plädiert, todkranken Menschen den Weg dafür ebenen, mit ärztlicher Begleitung ihrem Leben ein Ende zu setzen. Für den Gruppenantrag Hintze/Lauterbach hatten sich 128 Parlamentarier ausgesprochen. Der Entwurf sah eine Regelung im Zivilrecht vor.
Der Antrag der Abgeordnetengruppe um Renate Künast (Grüne) und Petra Sitte (Linke) sah vor, Sterbehilfevereine ausdrücklich zu erlauben, wenn dahinter keine Profitabsicht steht. Die Beihilfe „aus Gründen des eigenen Profits“, also im Sinne einer gewerbsmäßigen Betätigung, sollte dem Entwurf nach verboten werden. Für den Antrag der Parlamentarier Künast/Sitte stimmten 52 Abgeordnente.
Die Abgeordneten Patrick Sensburg (CDU) und Thomas Dörflinger (CDU) hatten einen Entwurf vorgelegt, der nur in Ausnahmefällen die Straffreiheit gewährt und die „Anstiftung und Beihilfe an einer Selbsttötung“ verbietet. Dieser Antrag wurde in den Medien als besonders scharfe strafrechtliche Regelung gewertet.
Eine Gruppe Abgeordneter um die ehemalige Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) und Katja Keul (Grüne) hatte gegen alle vier Gesetzesentwürfe Bedenken erhoben und die Verfassungsmäßigkeit der Entwürfe in Frage gestellt. Daher sollten ihrer Meinung nach die Abgeordneten des Deutschen Bundestages bei allen Entwürfen mit „Nein“ stimmen und die Regelung zur Sterbehilfe weiter unberührt lassen.
Michael Brand (CDU) konstatierte, dass es in der Debatte um die Sterbehilfe „kein Weiß und kein Schwarz“ gebe. Die Debatte im Bundestag habe jedoch dazu geführt, dass das Thema Sterben aus der Tabuzone zurück geholt worden sei die Mitte der Gesellschaft. Viele Gespräche hätten in Familien und Diskussionsrunden zum Thema stattgefunden, erklärte Brand. „Heute gilt es, den Missbrauch zu stoppen und Menschen vor gefährlichem Druck zu schützen“, sagte der Unionspolitiker. Der Handlungsbedarf zur Neuregelung der Sterbehilfe sei auch dadurch entstanden, dass geschäftsmäßig für den Suizid geworben worden sei. Kerstin Griese (SPD) verteidigte den gemeinsamen Entwurf als „Weg der Mitte“. Das Geschäft mit dem Tod sei „ethisch nicht vertretbar“ und der Entwurf halte das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient aufrecht.
Für den Entwurf, der sich gegen die Verschärfung des Strafrechts aussprach, hatte Peter Hintze (CDU) erklärt: „In einem freiheitlichen Rechtsstaat muss man mit dem Strafrecht sehr sehr vorsichtig umgehen.“ Der Entwurf von Brand/Griese stehe „unter der Flagge einer Moral, die von einer Minderheit in der Bevölkerung vertreten wird“, sagte Hintze. Die Mehrheit der Bevölkerung sei für ein selbstbestimmtes Sterben, das es zu sichern gelte.
Für ein „Sterben ohne den Staatsanwalt“ plädierte die Grünen-Abgeordnete Renate Künast. 75 bis 80 Prozent der Bevölkerung wollten ihren Angaben zufolge „selbstbestimmt sterben“ und sich frei entscheiden. „Der Staat soll sich da raus halten“, erklärte Künast. Wenn man über Freiheit rede, müsse der Staat den Menschen die Möglichkeit geben, frei zu entscheiden. Künast erinnerte im Zusammenhang mit dem Selbstbestimmungsrecht an die Debatte, die der Regelung über den Schwangerschaftsabbruch voran gegangen war. Ethische oder religiöse Vorstellungen hätten nichts zu suchen im Strafgesetzbuch, erklärte die Grünen-Politikerin. In der Diskussion stellten verschiedene Abgeordnete die Frage, wie weit der säkulare Staat in das Selbstbestimmungsrecht seiner Bürger eingreifen dürfe. „Akzeptieren wir die Selbstbestimmung am Lebensende.“
Der Entscheidung war eine zweitstündige kontroverse und in Teilen persönliche Debatte unter den Abgeordneten vorausgegangen. Die Diskussion war auch in der Öffentlichkeit und in den Medien geführt worden. „Viele werden die Meinung teilen, dass die öffentliche Debatte nicht beendet sein wird“, erklärte Bundestagspräsident Norbert Lammert zu Beginn der Parlamentssitzung. Einig waren sich die Parlamentarier darüber, dass die Palliativmedizin und die Betreuung sterbender Menschen weiter ausgebaut werden müsse. (pro)