Das Wissenschaftsforum des Deutschen Bundestages hat sich mit dem Thema „Gewalt und Islam – Hintergründe und Auswege“ beschäftigt. Dazu hat Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für Islamische Theologie der Universität Münster vor Journalisten, Abgeordneten und anderen Mitarbeitern des Bundestags referiert.
Von PRO
Foto: Lutz /pro
War im Wissenschaftsforum des Deutschen Bundestages zu Gast: Mouhanad Khorchide
„Wie der Islam gelebt wird und sich Muslime positionieren, hängt von der jeweiligen Gruppe ab, in der sie sich engagieren“, machte der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide am Donnerstag klar. Zunächst ging er auf die umstrittenen und oft diskutierten Suren des Koran ein, die zur Gewalt aufrufen.
Der Koran lehne Gewalt aus religiösen Gründen ab. Gewalt dürften Muslime nur ausüben, wenn ihnen Unrecht getan wurde. Der Prophet habe versprochen, dass Gott ihnen vergebe, wenn sie mit dem Krieg aufhören. Drei von vier muslimischen Rechtsschulen lehrten auch, dass kriegerische Auseinandersetzungen nicht religiös motiviert sein dürften, sondern nur der Verteidigung dienten.
„Brauchen gesamtgesellschaftliches Wir“
„Um die Texte des Koran zu entschärfen, müssen wir sie in den historischen Kontext einbinden, und wir brauchen historische Fakten“, sagte Khorchide. Wenn der Koran in der Ewigkeit Abfälligen Gewalt androhe, hätten viele Muslime kein Problem, dies anzuwenden. Dieses verankerte Bild könne bei konservativen Strömungen jederzeit zum Ausbruch kommen.
Er vertrete einen offenen lebensbejahenden Islam, mit einem Gott, der im Kontext der Zeit gesprochen hat. Khorchides Theologie der Barmherzigkeit gehe von einem Gott aus, der den Menschen von Anfang an bedingungslos zugewandt ist: „Gott und Mensch kooperieren Seite an Seite. Wir müssen den Koran diskursiv debattieren. Liberale Strömungen des Islam verkünden keine endgültige Wahrheit.“
Da es im Islam keine Institution oder kein Lehramt gebe, werde zwangsläufig über theologische Fragen debattiert. „Einige Menschen legitimieren einiges und greifen auf diese exklusivistische Annahmen zurück.“ Viele junge Muslime fänden sich in ihrer Identität in nationalen Kategorien nicht mehr wieder und wechselten deswegen in religiöse. Gesamtgesellschaftlich gehe es darum, ein „großes Wir zu schaffen, zu dem Muslime dazugehören. Alles andere führt zur Ab- und Ausgrenzung.“
Räume der Anerkennung
In anderen Ländern sei die Vielfalt eine Selbstverständlichkeit. Khorchide warb darum, Räume der Anerkennung zu schaffen, wenn sie nicht demokratischen Grundsätzen entgegenstehen. Die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) sehe sich in der Verteidigungsposition, um Gerechtigkeit wiederherzustellen. Für die westliche Politik sei es wichtig, welche Werte sie in ihrer Außenpolitik vertrete. Der Islam müsse seinen Umgang mit Nicht-Muslimen hinterfragen. „Eine Bejahung von Pluralität ist dringend geboten im muslimischen Glauben. Wir müssen uns für einen Gott stark machen, der an den Menschen interessiert ist und an deren Seite steht.“
Politik müsse ein Bildungssystem für junge und frustrierte Menschen schaffen, mit denen es diese auffangen könne. Islamischer Religionsunterricht biete einen reflektierten Zugang zum Islam, wenn er von guten Lehrern gehalten werde. In Bezug auf die neuen Medien sei es wichtig, Jugendlichen Alternativen zu salafistischen Videos zu bieten. Wenn politische Fragestellungen gelöst sind, würden andere Diskurse gestärkt. Als Vorteil erwiesen sich auch die Lehrstühle und Zentren für islamische Theologie, die einen akademischen Zugang zur Theologie böten. In der anschließenden Fragerunde betonte Khorchide, dass der IS auch viele Muslime wachgerüttelt habe: „Eine Antwort auf den IS sind die liberalen und atheistischen Strömungen, die stärker sind als je zuvor.“ (pro)
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