In jeder Bundestagsfraktion kümmert sich ein Politiker besonders um das Thema Religion. Im dritten Teil unserer Serie stellt pro die religionspolitische Sprecherin der Linken, Christine Buchholz, vor: Eine Sozialistin mit Herz für die Kirche, wie sie sagt.
Von PRO
Foto: pro
Christine Buchholz steht politisch weit links – will aber dennoch Brücken zwischen ihrer Partei und den Kirchen bauen
„Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen“, heißt es im Lukasevangelium im sogenannten Magnificat, dem Lobgesang Marias nach der Ankündigung der Geburt Jesu. Es ist die liebste Bibelstelle von Christine Buchholz, der religionspolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Deutschen Bundestag. Und das, obwohl sie vor drei Jahren aus der Kirche ausgetreten ist. „Sie ist nicht meine Heimat, auch wenn ich große Nähe spüre“, begründet die Politikerin den Schritt heute. Das hat sie nicht davon abgehalten, evangelische Theologie zu studieren. Religions- oder Ethiklehrerin habe sie werden wollen – nicht etwa aus religiösen Gründen, sondern weil die großen Fragen sie fasziniert hätten und die Befreiungstheologie ebenfalls.
Beides – die atheistische Grundhaltung wie die Betonung der biblischen Stellen, bei denen es um Befreiung und soziale Gerechtigkeit geht – mögen recht gut zu einer Politikerin der Linken passen. Keine religiöse Bindung zu haben, ist dennoch ungewöhnlich für eine Frau in ihrer Position. In der aktuellen Legislaturperiode wird sie sich um die Beziehungen ihrer Fraktion zu den Religionsgemeinschaften bemühen. Ihre Kollegen von Grünen, Sozialdemokraten und Union bezeichnen sich allesamt als Christen. „Ich habe mich intensiv mit religiösen Strömungen auseinandergesetzt und meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass es gar nicht so wichtig ist, ob man einer solchen angehört oder nicht. Vielmehr geht es darum, wohin einen der Glaube im praktischen Handeln führt – und da sehe ich viele Überschneidungen zwischen mir und religiösen Menschen“, sagt Buchholz. So sei sie zum Beispiel gegen Armut oder Waffenhandel, ein Anliegen, das sie mit den Kirchen teile. Sie findet es gut, ab und an auch einmal die Bibel in einer politischen Debatte zitieren zu können. Deshalb liegt die Ausgabe der von der evangelikalen Micha-Initiative herausgegebenen Gerechtigkeitsbibel gleich neben ihrem Schreibtisch im Regal. Künftig werden dort wohl auch andere religiöse Schriften ihren Platz bekommen. Denn Buchholz möchte eine Brückenbauerin zwischen Linken und Religiösen sein.
„Frage von Religionsfreiheit ist zentral“
Das aber könnte für sie aus mehrerlei Gründen zur Herausforderung werden. Die 43-Jährige hat bisher wenig Erfahrung im Bereich der Religionspolitik. Außenpolitik ist ihr Thema und da zählt sie zum linken Flügel ihrer Partei. Deshalb ist sie nicht nur gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr. 2010 weigerte sie sich gemeinsam mit Parteikollegin Sahra Wagenknecht, nach einer Rede des israelischen Präsidenten Schimon Peres anlässlich des 65. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz, von ihrem Platz aufzustehen, um dem Staatsmann Respekt zu zollen – eine Geste, die der Linken im Nachhinein als antisemitisch ausgelegt wurde. Buchholz gehört außerdem zum Netzwerk marx21, das der Verfassungsschutz als linksextremistisch einstuft. Gemeinsam mit ihrer Partei steht sie für die komplette institutionelle Trennung von Kirche und Staat, die Linke forderte in ihrem Wahlprogramm gar die Entfernung religiöser Bezüge aus der Verfassung.
Geht es nach Buchholz, soll das alles Christen, Muslime und Juden keineswegs verschrecken, sondern als Aufforderung zum Dialog verstanden werden. Mit marx21 stehe sie für gesellschaftliche Veränderungen „von unten“, also aus dem Volk heraus. „Stacheldraht, Mauern und Verbote von Religionsgemeinschaften sind für mich damit nicht kompatibel“, sagt sie. Nach Peres‘ Rede habe sie nicht aufstehen können, schließlich habe er „Kriegsdrohungen gegen den Iran“ ausgesprochen. „Es war nicht geplant, aber es ist richtig, konkrete politische Kritik auszudrücken“, meint sie. Zum Gedenken an die Opfer des Holocaustes habe sie sich selbstverständlich erhoben. An dieser Stelle sei sie mit sich im Reinen. Die zeitweise lauten Vorwürfe, ihre Partei sei antisemitisch, bezeichnet sie als „politischen Rufmord“.
„Die Frage von Religionsfreiheit ist für mich zentral und sollte es auch für die Linke sein“, fordert sie. Und in der Tat hat Buchholz sich in der Vergangenheit auch schon gegen die Mehrheitsmeinung in ihrer Partei an die Seite der Religionsgemeinschaften gestellt – etwa im Streit um ein Beschneidungsverbot. Rund zwei Drittel der Linken stimmten 2012 im Bundestag gegen den von der damaligen Bundesregierung vorgelegten Gesetzesentwurf zur Straffreiheit der religiösen Praxis. Buchholz entschied sich anders und glaubt bis heute, dass sich ihre Partei mit ihrer Haltung im Hinblick auf die Beziehungen zu den jüdischen und muslimischen Gemeinden „keinen Gefallen getan hat“. Minderheiten in Deutschland seien zu schützen, sagt sie. „Erstmal vor der eigenen Haustür kehren, etwa was die rechtliche Gleichstellung von Religionsgemeinschaften angeht“, lautet ihr Credo. Und da ja nun die Bibel schon in ihrem Büroregal liegt, würde sie auch nicht ausschließen, einmal in einer Kirche zu predigen, wie es ihr Parteikollege Bodo Ramelow ab und an tut. „Ich habe da keine Berührungsängste“, sagt sie. In der Kirche über Rüstungsexporte oder Flüchtlingspolitik zu sprechen – das könne sie sich als religionspolitische Sprecherin durchaus vorstellen. (pro)
In der pro-Serie Religionspolitiker erschienen bereits Porträts über Kerstin Griese und Franz Josef Jung.
Dieser Artikel ist zuerst in der Ausgabe 2/2014 des Christlichen Medienmagazins pro erschienen. pro können Sie kostenlos bestellen, unter der Telefonnummer 06441/915151, via E-Mail an info@pro-medienmagazin.de oder online.
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