„Meine konkrete Kritik gilt der Rolle der Medien in den letzten drei Monaten, wo der Eindruck nicht ganz zu verdrängen ist, die Medien würden sich an die Stelle des Souveräns setzen, quasi das Wahlvolk ersetzen“, erklärte Schily Anfang dieser Woche auf einem Kongress des Bundes Deutscher Zeitungsverleger. Der Innenminister warf der Presse zudem vor, Wahlkampfhilfe für die schwarzgelbe Opposition geleistet zu haben.
„Typische Empfindung eines Handelnden“
Helmut Heinen, Zeitungsverleger-Präsident, nannte im Deutschlandradio die Medienschelte Schilys „die typische Empfindung eines Handelnden, der die eigene Politik in ein positiveres Licht gerückt sehen möchte“.
Das ganz offensichtlich gestörte Verhältnis zwischen Politik und Medien hatte das Bundespresseamt unterdessen dazu bewogen, am 13. Oktober einen Kongress zum Thema „Medien und Wahlkampf“ zu organisieren. In aller Eile waren fünf Tage nach der Bundestagswahl zwei medienwissenschaftliche Institute angefragt worden, die Veranstaltung zu organisieren. Beide sagten jedoch aufgrund der kurzen Vorbereitungszeit ab. Aus diesem offiziellen Grund kommt der Medienkongress nun doch nicht zustande.
„Konstruktiver Dialog sehr schwierig“
Ziel des Kongresses war laut Regierungssprecher Béla Anda, den Dialog zwischen Journalisten und Politikern zu pflegen und keinesfalls „die Medien in eine Ecke zu stellen“. Ob so eine Veranstaltung im Moment überhaupt sinnvoll gewesen wäre, sei zudem fraglich. Ein konstruktiver Dialog scheine augenblicklich sehr schwierig. Der Chef des Medieninstituts „Grimme“, Uwe Kamman, wertete die Planungen als „einen Versuch, in einer völlig verkorksten Situation – was auch die Öffentlichkeitsarbeit und was diese Medienschelte betrifft – dann irgendwie noch ein bisschen zurückzurudern“.
Dass die Äußerungen Schröders und Schilys ernstzunehmen sind, zeigt eine Aussage des stellvertretenden Regierungssprechers Thomas Steg. Wie die „Welt“ berichtet, habe Steg auf die Frage, ob die Medienschelte nur „Privatmeinung“ des Kanzlers sei, geantwortet: „Wir haben natürlich schon in den vergangenen Tagen verschiedene Politiker gehabt, die sich geäußert haben und die Stellung genommen haben. Insofern haben die das in ihrer politischen Funktion, als politische Funktionsträger gemacht.“ Damit werde deutlich, dass die Medienkritik auch Regierungsmeinung sei, meint Guido Heinen.