Am Montag hat eine Experten-Kommission ihren mit Spannung erwarteten Bericht zur „reproduktiven Selbstbestimmung“ vorgelegt. Bislang sind Abtreibungen in Deutschland grundsätzlich verboten. Nur unter bestimmten Bedingungen bleibt der Eingriff straffrei. Das könnte sich nun ändern, denn die Kommission empfiehlt „einstimmig“ die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bis zur zwölften Woche.
In dem mehrere hundert Seiten umfassenden Werk der Kommission widmet sich ein Abschnitt den gesellschaftlichen und psychosozialen Aspekten ungewollter Schwangerschaften. „Ungewollte Schwangerschaften sind kein seltenes Ereignis in den reproduktiven Biografien von Frauen“, lautet es dort. Die Entscheidung, eine Schwangerschaft als ungewollt zu betrachten, werde durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Dazu gehörten das Fehlen eines Kinderwunsches, die Einschätzung, dass die gegebenen Rahmenbedingungen nicht adäquat seien oder dass die persönliche Lebensplanung aktuell oder in absehbarer Zukunft keinen Raum für ein Kind vorsieht. Dem Bericht der Experten-Kommission zufolge zeigen Studien, dass „ungewollte Schwangerschaften häufiger bei belastenden Lebensumständen wie finanziellen Problemen, fehlender oder abgebrochener Ausbildung, problematischen oder fehlenden Partnerschaften sowie gesundheitlichen Problemen auftreten“.
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Es sind also vielmehr die äußeren Umstände, als die nebulöse innere Verfasstheit zur reproduktiven Selbstbestimmung, die eine Frau zur Abtreibung bewegen. Bleibt die Frage, aus welchen Gründen sich die Regierung nicht viel stärker an der Beseitigung der äußeren Umstände abarbeitet.
Dass es auch anders gehen kann, zeigen mir Beobachtungen aus dem weiteren persönlichen Umfeld. Zwei blutjunge Menschen haben sich bewusst dafür entschieden, ihr gemeinsames Kind auf die Welt zu bringen. Dies, obwohl weder Schul- noch Berufsausbildung abgeschlossen sind. Das ist mutig und verdient Respekt und Anerkennung, aber auch die Hilfe aus dem sozialen Umfeld, wegen eben der „äußeren Umstände“. Auch ein junges Mediziner-Ehepaar – auch hier ist die Ausbildung der werdenden Mutter noch nicht abgeschlossen – haben diesen Weg gewählt. Entgegen der heute durchaus als üblich zu bezeichnenden Vorstellung, an erster Stelle für ein glückliches Leben müssten Karriere, Freizeit und die Aussicht auf ein angenehmes, weil finanziell abgesichertes Leben stehen.
Die Einstellung und der Lebensmut der jungen werdenden Eltern stimmt mich hoffnungsvoll. Sie mögen als ein Hinweis dienen, dass am Ende „reproduktiver Biografien“ von Frauen – zumal unter den sogenannten „widrigen“ Umständen – nicht zwangsläufig eine Abtreibung stehen muss. Tun Politik und Gesellschaft alles dafür, dass diese widrigen Umstände so gut wie möglich abgemildert werden?