„Politik als Beruf des Christen“

Zum 85. Geburtstag von Papst Benedikt XVI. erhält das Kirchenoberhaupt eine Festschrift, an der zahlreiche deutsche Politiker und Theologen mitgewirkt haben. Der katholische Journalist und Politikwissenschaftler Andreas Püttmann und der ehemalige Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, Werner Münch, behandeln den Auftrag an Christen, Politik mitzugestalten.
Von PRO

Der Titel des Werkes lautet in Bezug auf den ersten Satz des Johannes-Evangeliums: "Und das Wort ist Fleisch geworden – Die Inkarnation des Logos als Auftrag christlich inspirierter Politik". Die Autoren sind unter anderem Andreas Püttmann, Autor zahlreicher Bücher und Mitglied unter anderem in der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP), des Christlichen Medienverbundes KEP und der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), sowie Werner Münch, Hochschullehrer und ehemaliger CDU-Politiker. Münch war von 1991 bis 1993 Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt.

Zu den weiteren Autoren gehören der Bischof von Limburg, Franz-Peter Tebartz-van Elst, Abtprimas Notker Wolf, der katholische Sozialethiker und Prälat Lothar Roos, die Ministerpräsidentin und studierte evangelische Theologin Christine Lieberknecht, der ehemalige Bundesinnenminister Rudolf Seiters, der ehemalige Europaparlamentspräsident und Vorsitzende der "Konrad-Adenauer-Stiftung" Hans-Gert Pöttering, der Vorsitzende des Forums Deutscher Katholiken, Hubert Gindert, sowie die Bundestagsabgeordneten Maria Flachsbarth (CDU), Peter Gauweiler (CSU), Norbert Geis (CSU). Herausgeber der Schrift ist Rechtsanwalt Roger Zörb, Vorsitzender der "Gesellschaft zur Förderung öffentlicher Verantwortung" (GöV).

Logos dem Fernsehen unterlegen

Püttmann und Münch nehmen bezüglich des Titels "Die Inkarnation des Logos als Auftrag christlich inspirierter Politik" zunächst Begriffsklärungen vor. Der Logos (Griechisch für "Wort") sei der Gegensatz zum Chaos, heißt es in der Festschrift. "Alles ist durch das Wort geworden – gilt das nicht auch für politische Karrieren, insbesondere im demokratischen Zeitalter? Ist nicht die Kommunikationskompetenz heutzutage für Politiker wichtiger geworden als Sachkompetenz?" Der Text geht auch auf die modernen Medien ein: "Unter den Bedingungen moderner Massenkommunikation, insbesondere des Fernsehens mit seiner großen Reichweite und audiovisuellen Suggestionskraft, seiner Tendenz zur Personalisierung, Simplifizierung und Emotionalisierung, hat sich eine ‚Stimmungsdemokratie‘ entwickelt, in der das Walten des Logos der Macht des Augenscheins und des Affekts strukturell unterlegen scheint."

Ein Christ sollte "Kraft seines Jenseitsglaubens immun sein gegen die Utopie der irdischen Paradiese", heißt es in der Festschrift. Damit entspräche der Christ dem "Anforderungsprofil", das der Soziologe Max Weber für all jene entwarf, die "Politik als Beruf" betreiben. Die Arbeit eines Politikers verlange laut Weber die drei Qualitäten Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß. "Nur wer sicher ist, dass er nicht daran zerbricht, wenn die Welt, von seinem Standpunkt aus gesehen, zu dumm oder zu gemein ist für das, was er ihr bieten will, dass er all dem gegenüber ‚dennoch!‘ zu sagen vermag, nur der hat den ‚Beruf‘ zur Politik."

Politisches Engagement unter Christen nachweislich groß

Studien hätten immer wieder gezeigt, dass religiös orientierte Mitglieder in Parteien "überdurchschnittlich stark zu ämterorientiertem Engagement bereit" seien. Eine Allensbacher Analyse  habe ergeben, dass die "aktive Teilnahme am politischen Leben" von 14 Prozent der religiösen jungen Deutschen (14-29 Jahre) als für sie persönlich "wichtig im Leben" betrachtet wird, unter den nicht religiösen jedoch nur von 5 Prozent. Bei der erklärten generellen Bereitschaft, "Verantwortung für andere zu übernehmen", lagen die religiösen jungen Leute mit 47 zu 28 Prozent vorn.

Die Sympathie für Protest-Parteien sei unter Religiösen eher klein, erinnert die Festschrift. Als Mitte der neunziger Jahre in Hamburg eine Zeit lang die "Statt-Partei" populär war, erklärten bundesweit knapp 40 Prozent der Konfessionslosen, sie würden die Gründung solcher Parteien begrüßen; unter katholischen Christen waren es nur 27 Prozent, unter evangelischen 35 Prozent. "Auch unter Sympathisanten radikaler Parteien von links und rechts sind regelmäßig Konfessionslose über- und kirchennahe Christen unterrepräsentiert. Dass Christen eine geringere Neigung zur postkommunistischen PDS aufweisen, mag kaum überraschen."

Politik auf Kirche angewiesen

Die Autoren führen als Hinweise für eine zunehmende Überforderung der Sozialsysteme eine "Vielfalt von Krisensymptomen" an: "Umweltzerstörung, immer brutalere Gewalt- und Jugendkriminalität bis hin zu spektakulären Amokläufen, Mord- und Totschlagdelikte an Wehrlosen ‚just for fun‘ und planmäßig-ritueller Vandalismus, Korruption, Wettbetrug und Doping im Sport, Drogenmissbrauch und ‚Komasaufen‘, Bildungsmisere bis hin zur Ausbildungsunfähigkeit, verbreitetes Mobbing und Mitarbeiterbespitzelung, immer aggressivere Werbemethoden und dreistere Konsumententäuschung, die Heroisierung ethischer Minimalisten (Dieter Bohlen, Bushido), Verkehrsrowdytum und gewaltsamer Widerstand gegen Polizisten, zunehmend verfangende Sterbehilfe-Propaganda und längst akzeptierte Massenabtreibung, Beziehungsunfähigkeit, Promiskuität und gestiegene Scheidungsraten, Kindermangel und Pflegemissstände, Zunahme psychischer Krankheiten, Entsolidarisierung, bekennende Egozentrik (‚Unterm Strich zähl’ ich‘) und Umwertung von Untugenden (‚Geiz ist geil‘) in der Werbung, grassierende Politikverdrossenheit, Rechts- und Linksextremismus, Partizipationsmüdigkeit und Verantwortungsscheu."

Die Politologen ziehen den Schluss: "Weder Sozialismus noch Liberalismus, weder Nationalismus noch Ökologismus, weder fernöstliche Religionen noch Esoterik halten ein Ethos bereit, welches Antworten, Maßstäbe und Handlungsorientierungen für diese Breite von Problemen geben könnte. Die Polis bleibt auf den Beitrag der Kirche angewiesen." (pro)

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