Pilgern leicht gemacht

Emilio Estevez hat einen Film über das Pilgern gedreht. Wer aber glaubt, der Streifen handle von der Suche nach Gott, irrt. "Dein Weg" verliert sich im spirituellen Kitsch und in langweiligen Klischees.

Von PRO

Wer etwas auf sich hält, der pilgert. Spätestens seit Hape Kerkelings Buch "Ich bin dann mal weg" ist das Zurücklegen von hunderten Kilometern zu Fuß zum Trend geworden. Mal abschalten, rauskommen, den stressigen Berufsalltag hinter sich lassen. Eine solche Unternehmung wird nur noch selten mit dem verknüpft, was sie einmal war: Ein Fußmarsch hin zu Gott. Nun hat der vor allem als Schauspieler bekannte Emilio Estevez (Young Guns, Men at Work) einen Film über das trendige Marschieren gedreht. Und auch bei ihm geht es nicht um den Glauben an Gott. "Dein Weg" ist eine Vater-Sohn-Geschichte und eine Erzählung über die Erkenntnis, dass Menschen unvollkommen sind, egal, wie sehr sie sich anstrengen, perfekt zu sein.

Martin Sheen spielt im Film den Augenarzt und Vater Tom. Sein Sohn Daniel ist ein Abenteurer, hat sein Medizin-Studium abgebrochen, um stattdessen die ganze Welt zu bereisen. Tom hingegen liebt das Golfen, seine Arbeit und die Sicherheit, die das Leben als Arzt bietet. Die Reiselust seines Sohnes ist ihm ein Rätsel – bis dieser beim Pilgern auf dem Jakobsweg tödlich verunglückt. Tom reist nach Frankreich, zur ersten Station seines Sohnes auf dem Weg nach Santiago de Compostela, und beschließt, den Weg Daniels zu vollenden. Völlig unvorbereitet wandert er los. Bei sich trägt er nur die Habseligkeiten seines Sohnes und dessen eingeäscherte Überreste, die er nach und nach auf dem Pilgerweg verstreut.

Klischees unter Pilgern

Unterwegs trifft Tom die Pilger Joost, Sarah und Jack. Sie alle wandern aus unterschiedlichen Gründen – gemeinsam haben sie, dass keiner von ihnen den Weg aus religiösen Gründen beschreitet. Der Niederländer Joost will abspecken, die Kanadierin Sarah mit dem Rauchen aufhören und der Ire und Schriftsteller Jack versucht, seine Schreibblockade zu überwinden. Man könnte wohl sagen: Mit diesem Zusammentreffen beginnen die wirklich großen Probleme des Films. Lebt er am Anfang noch von dem grandiosen Schauspieler Martin Sheen, verliert sich die Geschichte spätestens ab dem zweiten Drittel in schwer erträglichen Klischees. So ist Joost ein Kiffer vor dem Herrn, die kettenrauchende Sarah wurde von ihrem Mann verprügelt. Ihre Sucht soll wohl als Flucht verstanden werden. Der Ire Jack ist hyperaktiv und schwelgt in Metaphern und Worthülsen. Auf dem Weg trifft Tom zudem auf einen Franzosen, der im Stringtanga Wäsche aufhängt.

Wer an dieser Stelle noch nicht schwer durchgeatmet hat, tut es spätestens, wenn klar wird, dass Tom nun wirklich gar keine Probleme mit der 800-Kilometer-Wanderstrecke zu haben scheint, obwohl er sich in seiner amerikanischen Heimat auf dem Golfplatz sogar per Caddy zum nächsten Abschlag chauffieren ließ. Von Schmerzen, blutigen Füßen, Erschöpfung: keine Spur. Tom marschiert und marschiert, als habe er sein Leben lang nichts anderes getan. Ebenso wie die Kettenraucherin Sarah und der übergewichtige Joost. Das ist unglaubwürdig und lässt eine Pilgertour wie einen netten Spaziergang wirken.

Die Schwäche siegt

So ganz kommt Estevez – der im Film übrigens Daniel spielt und damit auf der Leinwand wie im wahren Leben der Sohn Martin Sheens ist – übrigens nicht um den religiösen Aspekt des Pilgerns herum. Tom öffnet sich im Laufe der Tour dem Spirituellen. Noch in den USA lehnt er das Angebot eines Pfarrers ab, mit ihm zu beten. "Wofür?", fragt er den Geistlichen. Auf dem Weg nach Santiago de Compostela bekreuzigt Tom sich zunächst zaghaft, wenn er die Asche seines Sohnes an Wegmarken hinterlässt. Später lässt er sich von einem Priester einen Rosenkranz schenken. Der gibt ihm noch die Worte mit auf den Weg: "Es sind viele abtrünnige Katholiken auf dem Camino unterwegs, mein Sohn." Schließlich betet er sogar gemeinsam mit der bunten Gruppe dafür, dass seine Anstrengungen auf dem Weg ihm einmal im Jenseits angerechnet werden. Wer mehr religiöse Motive im Film erwartet, wird enttäuscht. Am Ende steht die Erkenntnis, dass selbst die größte Anstrengung nichts daran ändern kann, dass der Mensch seinen Schwächen erliegt. Sarah schafft es nicht, das Rauchen aufzugeben. Joost bleibt übergewichtig. Und Daniel ist nach wie vor tot. Lediglich Jack wird aus dem Erlebten ein Buch machen.

Gegenüber dem amerikanischen Klatsch-Portal "Vulture" hat Estevez jüngst erklärt, dass er keinen religiösen Film habe drehen wollen. Um Wahrheit sollte es gehen, um Väter und Söhne, statt um Gott. Das ist ihm gelungen. Estevez selbst hat seine Probleme mit Jesus, wie er sagt. Und das, obwohl Vater Martin Sheen bekennender Katholik ist. "Ich glaube als Christ, dass Gott Mensch geworden ist", sagt er, und über seinen Sohn Emilio: "Ich kann ihn nicht dazu bringen, auch nur das kleinste bisschen Interesse am Katholizismus zu zeigen." Das bringt auf den Punkt, woran der Film jenseits aller Klischees und logischen Schwächen krankt. Denn ein bisschen Interesse am christlichen Glauben darf wohl erwartet werden, wenn ein Regisseur einen Film über das Pilgern dreht. (pro)

"Dein Weg", Regie: Emilio Estevez. USA 2010, 123 Min.

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