Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, vermisst im Programm der Alternative für Deutschland (AfD) ein biblisches Verständnis. Mit vielen ihrer Positionen gefährde die Partei zudem den Zusammenhalt der Gesellschaft. Das sagte der Theologe in einem Streitgespräch mit der Bundessprecherin der AfD, Frauke Petry, das das evangelische Nachrichtenmagazin ideaSpektrum initiiert hatte. Petry, so Rekowskis Vorwurf, spiele Bevölkerungsgruppen gegeneinander aus.
Petry führte aus, dass sich die Aufnahme vom Flüchtlingen und Asylbewerbern in einem Rechtsrahmen bewegen müsse, was derzeit nicht der Fall sei. „Ich schätze individuelle Hilfsbereitschaft und Barmherzigkeit, aber sie kann nicht gleichbedeutend sein mit staatlichem Handeln“, sagte sie. „Wer für unsere Situation das Gleichnis vom barmherzigen Samariter heranzieht, vergewaltigt biblisches Wissen.” Selbstverständlich sei es jedoch, politisch Verfolgte und Kriegsflüchtlinge aufzunehmen und ihnen zeitlich begrenzten Schutz zu gewährleisten.
Die Politikerin sieht mit der aktuellen Migration und Situation sowohl das Selbstbestimmungsrecht der Völker, als auch die Unverletzlichkeit der Grenzen verletzt. Die oft beschworene breite Zustimmung zu Angela Merkels berühmten Satz „Wir schaffen das“ finde sie in der Bevölkerung nicht.
Rekowski: „Christliches Koordinatensystem nicht infrage stellen”
Für Rekowski ist der Umgang mit den Fremden ein tragendes Kriterium der Bibel: „Deshalb lehnen viele Christen die Positionen ab, die die AfD vertritt.“ Wer sich auf den christlichen Glauben berufe, dürfe das christliche Koordinatensystem nicht infrage stellen. Petry sieht dagegen ein unchristliches Verhalten bei den Kirchen: dann etwa, wenn ein pensionierter Pfarrer angegriffen werde, weil er für die AfD kandidiere. Das sei eine Aufteilung in Christen erster und zweiter Klasse. Dies machte sie auch an der Ausladung der AfD vom Kirchen- und Katholikentag deutlich. (Anmerkung der Redaktion: Der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag bestätigt dies gegenüber pro nicht und verweist auf seinen Präsidiumsbeschluss.)
Petry wirft der Kirche zudem vor, dass diese so tue, als sei das Gedankengut des Islam mit dem vereinbar, was in der Kirche gelebt werde. Politisch Andersdenkende dagegen würden ausgegrenzt. Die AfD bejahe die freie Religionsausübung. Die Partei reiche integrationswilligen Muslimen die Hand. Es müsse aber trotzdem erlaubt sein, den Islam zu kritisieren.
„Gleichwertigkeit des Menschen unaufgebbar“
Präses Rekowski möchte durch Begegnungen Integration ermöglichen: „Das gelingt mal besser und mal weniger gut.“ Nächstenliebe und Barmherzigkeit seien unteilbar und die Gleichwertigkkeit jedes Menschen unaufgebbar: „In Positionen von AfD-Politikern finde ich dagegen herabsetzende und menschenverachtende Äußerungen über Fremde und Muslime.“ Diese seien Sprengstoff für die Gesellschaft.
Der Theologe führte aus, dass ihn die Begegnung mit 500 ehrenamtlichen Helfen der Flüchtlingsarbeit beeindruckt habe. Dass so viele Deutsche bereit sind, Hilfe zu leisten, sei ein Grund, stolz zu sein – und man lerne, dass es nicht um „abstrakte Zahlen geht, sondern um konkrete menschliche Schicksale”.
Petry sagte, sie sei als evangelische Christin befremdet davon, dass die Kirche ihrem Auftrag nicht mehr nachkomme. Sie erwarte von der Kirche in theologischen Fragen klare Positionen. „Stattdessen sagen Kirchenvertreter, dass es letztlich egal sei, an welchen Gott man glaube.”
Manfred Rekowski ist seit 2013 Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland und außerdem Vorsitzender der EKD-Kammer für Migration und Integration. Frauke Petry ist seit 2013 Bundessprecherin der AfD. (pro)
Von: jw