Groß prangt ein Kreuzritter-Tattoo auf seiner Brust, auf seinem Arm steht in großen Buchstaben „deus vult“ geschrieben – „Gott will es“. Ein Motto, unter dem wohl einst die Kreuzritter zum Kreuzzug aufbrachen, um das Heilige Land zurückzuerobern. Der designierte US-Verteidigungsminister Pete Hegseth erregt Aufsehen – und seine potenzielle Ernennung erntet Kritik. In einigen Medien wird Hegseth eine Nähe zu „radikalem Christentum“ zugeschrieben. So bezeichnet die „Zeit“ ihn als „radikalen Christen“, die Süddeutsche Zeitung nennt ihn einen „ultra-calvinistischen Reformed-Constructionist“. Aber was hat es mit dieser Bewegung auf sich, und inwiefern passen diese Labels auf Hegseth? Inwiefern prägen diese theologischen Ansätze Hegseths Politik und öffentliche Aussagen?
Rekonstruktionismus – Was ist das?
Was zunächst auffällt: In Bezug auf Hegseth werden sehr viele christliche Begriffe in einen Topf geworfen. Ultra-calvinistisch sei er, reformiert, ein Rekonstruktionist und Fundamentalist. Was bedeutet das überhaupt?
Christlicher Rekonstruktionismus ist eine theologische Strömung, die davon ausgeht, dass die Bibel nicht nur für das persönliche Leben, sondern auch für Politik, Gesellschaft und Gesetzgebung verbindlich ist. Sie vertritt die Idee, dass biblische Prinzipien, einschließlich vieler alttestamentlicher Gesetze, auf alle Lebensbereiche angewendet werden sollten. Dabei gibt es unterschiedliche Schwerpunkte: Einige Rekonstruktionisten, sogenannte Theonomen, fordern, dass selbst die zivilrechtlichen Vorschriften des Alten Testaments noch heute in Gesetzgebung und Rechtsprechung gelten sollten.
Die Bewegung hat ihre Wurzeln im Calvinismus, insbesondere in der Betonung der Souveränität Gottes und der Verbindlichkeit seines Gesetzes. Sie setzt dabei auf eine strikt biblische Ethik und lehnt die Idee ab, dass moralische Prinzipien unabhängig von der Bibel definiert werden können.
Rekonstruktionismus ist auch geprägt von einem gesellschaftsverändernden Ansatz: Die Anhänger wollen die Gesellschaft aktiv umgestalten, um sie mit den Maßstäben der Bibel in Einklang zu bringen. Dazu gehört eine Ablehnung von staatlicher Neutralität und der Anspruch, dass Christen eine dominierende Rolle in allen Bereichen der Gesellschaft übernehmen sollten.
Die Bewegung wird kontrovers gesehen, insbesondere wegen ihrer Forderung, alttestamentliche Strafgesetze wie die Todesstrafe für Ehebruch oder Homosexualität wieder einzuführen. Kritiker werfen ihr vor, die komplexen Unterschiede zwischen der Gesellschaft im Alten Testament und der modernen Welt zu ignorieren.
Ist Pete Hegseth ein Rekonstruktionist?
Pete Hegseth, geboren und aufgewachsen in Forest Lake, Minnesota, studierte zunächst in Princeton und später in Harvard. Schon in dieser Zeit wurde seine konservative Linie deutlich, so war er Herausgeber der konservativen studentischen Zeitschrift „The Princeton Tory“. Nach seinem Studium war Hegseth zudem in der US-Armee aktiv, er war unter anderem in Guantanamo, Irak und Afghanistan stationiert. Seit 2014 ist Hegseth Moderator beim amerikanischen Fernsehsender Fox News, wo er auch Donald Trump häufiger interviewte.
Hegseth macht aus seinem christlichen Glauben kein Geheimnis. So sagte er in einem Interview 2023, dass es für ihn „befreiend und erbaulich“ gewesen sei, Jesus in sein Herz einzuladen. Er nutze seine Zeit und Ressourcen dann am besten, wenn er seine Plattform gebrauche, um seinen christlichen Glauben weiterzugeben. Hegseth ist Mitglied der „Gemeinschaft reformierter evangelischer Kirchen“ (CREC), die dem reformierten Rekonstruktionismus zugeordnet wird.
Hegseth fiel in der Vergangenheit immer wieder mit kontroversen Aussagen auf. So sprach er sich mehrfach gegen die Trennung von Kirche und Staat aus und betonte, dass Amerika „wieder eine Nation unter Gott werden müsse“. Auf einer Konferenz im Jahr 2018 sagte er Medienberichten zufolge, dass er keinen Grund sehe, warum man auf dem Tempelberg nicht wieder einen jüdischen Tempel errichten könne. Das wiederum würde bedeuten, den muslimischen Felsendom abzureißen. Hegseths Rhetorik, die eine Rückbesinnung auf „christliche Werte“ fordert, stößt bei liberaleren Stimmen auf Kritik, da sie oft als Angriff auf die religiöse Neutralität der Regierung interpretiert wird. Besonders umstritten ist seine Ansicht, dass die Bibel „der wahre moralische Kompass“ für politische und gesellschaftliche Entscheidungen sein müsse.
Hegseths politische Agenda zeigt, dass er stark von seiner Lesart einer christlich-konservativen Weltsicht geprägt ist. Er fordert eine stärkere Rolle der Religion im öffentlichen Leben und setzt sich für Themen wie Religionsfreiheit, den Schutz ungeborenen Lebens und das traditionelle Familienbild ein. Dabei wird auch deutlich, dass er bereit ist, auf politischer Ebene Änderungen zu erwirken, die er für richtig hält: So sprach sich der designierte Verteidigungsminister jüngst in einem Podcast dafür aus, alle Generäle zu entlassen, die im Programm für „Vielfalt, Gerechtigkeit und Inklusion“ (DEI) involviert gewesen seien.
Pete Hegseth ist Vertreter einer christlich-konservativen Weltsicht und setzt sich stark für die Rolle von Religion in der Gesellschaft ein. Inwiefern sich seine Überzeugungen auf seine Politik niederschlagen, wird man sehen müssen. Gleichzeitig gibt es keine klaren Anzeichen dafür, dass die radikalen Forderungen des Rekonstruktionismus für Hegseths Politik bedeutend sind – So fordert er weder die Anwendung alttestamentlicher Strafgesetze noch die Einführung einer Theokratie. Hegseth bleibt eine polarisierende Figur, aber ein „radikaler Rekonstruktionist“ ist er vermutlich nicht.
Von: Arnd Foede