Lässige, graue Strickjacke, weißes T-Shirt, um den Hals einen dunkelgrauen Schal geschlungen: Kornelius Weiß hat Stil. Der 41-Jährige mit der perfekt gestylten Haartolle, dem Vollbart und dem zurückhaltenden Lächeln könnte auch einem Modekatalog entsprungen sein. Ganz so fern liegt der Gedanke nicht, denn Weiß ist Model – zumindest zeitweise. Im Hauptjob ist er Pastor der Stadtmission Butzbach.
Auf das Modeln reduziert werden möchte Weiß aber nicht. „In erster Linie bin ich Pastor“, sagt er, als PRO ihn in seiner Heimat trifft. Zum Modeln kam er zufällig. Eine Fotografin aus seiner Gemeinde gründete vor einigen Jahren die Agentur Fairmodel für nachhaltige Produkte. Weil er kunstinteressiert ist und gerne Neues ausprobiert, hat er bei ersten kleinen Shootings mitgemacht, sagt Weiß. Mittlerweile ist er als Model bei der Agentur registriert und hat zwei bis drei größere Shootings pro Jahr und ein paar kleinere Aufträge zwischendurch.
Sehen konnte man den Pastor zum Beispiel im Grundstoff-Katalog, „dem Otto-Katalog für nachhaltige Mode“, sagt Weiß lachend. Außerdem stand er für eine Kampagne der Hessischen Landesbahn vor der Kamera. Regelmäßig lässt er sich zudem für das faire Modelabel „Made in Freedom“ fotografieren, meistens für T-Shirts. Das liegt ihm besonders am Herzen, weil dort Frauen die Kleidung nähen, die aus Zwangsprostitution befreit wurden.
Sofern seine Gemeindemitglieder sein Hobby mitbekommen, gibt es positive Rückmeldungen. Das zeige doch, dass Mode für Christen kein rotes Tuch sei, sagen zum Beispiel einige. Das Modeln kehrt der schlanke, hochgewachsene Mann aber nicht heraus. Als Person im Rampenlicht zu stehen, scheint ihm beinahe unangenehm zu sein. Weiß verweist lieber auf die Botschaft, die er transportieren will. Als Model die für faire Mode, als Pastor das Evangelium. Deshalb will er auch nicht in Unterwäsche vor die Kamera – seine Gemeindemitglieder sollen keine für sie unangenehmen Bilder vor Augen haben, wenn sie ihn sonntags auf der Kanzel sehen.
Krisenfest im Glauben
Am Pastorenberuf liebt er besonders, „Menschen begleiten zu dürfen und zu sehen, wie Gott in ihr Leben eingreift“. Dabei wünscht sich Weiß, andere zu einem eigenständigen Glauben zu befähigen. Dass es daran manchmal mangelt, merkte er zu Beginn der Pandemie. Auch einige aus seiner eigenen Gemeinde seien trotz alternativer Online-Angebote „im Sofa versackt“ – und mit ihnen der Glaube, war sein Eindruck. Einige schienen „nur bedingt in der Lage“, ihren Glauben eigenständig zu leben, „wenn sie ihren Gottesdienst nicht haben, wo jemand vor ihnen steht und ihnen sagt, was sie tun sollen“, sagt Weiß rückblickend. Der Glaube müsse aber unabhängig von äußeren Umständen tragen, findet er.
Sein eigener Glaube musste bereits einigen Krisen standhalten. Als er zwölf Jahre alt war, verstarb sein Vater viel zu früh. Das war das erste Mal, dass sich Weiß intensiv mit Gott und auch der Frage nach dem Warum auseinandersetzte. Die zweite Krise erlebte er zu Beginn seines Lehramtsstudiums. Wegen einer akuten Mittelohrschwerhörigkeit musste er es von einem Moment auf den anderen abbrechen. In den vollen Hörsälen verstand er nichts mehr und vor einer Operation hatte er große Angst. Er wusste nicht, wie es nun weitergehen sollte.
Weiß verbrachte viel Zeit mit Gott und fragte nach dem richtigen Weg. Pastor wollte er eigentlich nicht werden, obwohl er sich als Mitarbeiter der Gemeinde-Jugendarbeit irgendwie am richtigen Platz fühlte. Doch Pastoren seien für ihn damals „besonders Heilige“ gewesen. Aufgewachsen in einer Chrischona-Gemeinde, hatte er das Gefühl, in so einen Job nicht reinzupassen. Aber „Gott hat stark an mir gearbeitet“, sagt Weiß rückblickend. Schließlich startete er ein Theologiestudium am Neues Leben Seminar (heute: Theologisches Seminar Rheinland) und ließ sich an einem Ohr operieren. Doch es folgte ein Hörsturz. Die hohen Frequenzen hörte er nicht mehr, sein Gehör für Sprache wurde schlechter als bei dem nicht operierten Ohr. Er kämpfte sich trotzdem durch das Studium – „immer in der ersten Reihe“ und mit den Augen an den Lippen des Dozenten.
Heute sieht man am rechten Ohr des 41-Jährigen ein Hörgerät. Auf den ersten Blick fällt es gar nicht auf, so klein ist es. Nach langer Suche fand Weiß einen Audiologen, der ihm ein passendes Gerät verschrieb. Nun kann er auch die hohen Stimmen seiner Kinder hören.
Der smarte Pastor mit dem aufmerksamen Blick hinter der Hornbrille hat ein großes Herz und möchte sich am liebsten um alle Nöte kümmern, die an ihn herangetragen werden – nicht nur im eigenen Gemeindeleben. Als Helfer packte er nach der Flut im Ahrtal mit an, als der Ukraine-Krieg begann, organisierte er Hilfe für die Flüchtlinge und nahm eine fünfköpfige Familie im Gemeindehaus auf. „Es ist so erfüllend, wenn man etwas tun kann, bei dem man merkt: Das ist jetzt wirklich nötig. Da kann man wirklich helfen.“ Weiß, der sonst eher schnell redet, spricht bei diesen Themen langsamer, macht mehr Pausen. Die Erinnerung an die Erlebnisse scheint ihn immer noch zu bewegen.
Da, wo er kann, will er sich für eine bessere Welt einsetzen. Deshalb auch sein Engagement für Nachhaltigkeit – ob beim Modeln oder im Alltag. „Dass ich nachhaltig lebe und denke, kommt für mich aus einem christlichen Weltbild. Dort finde ich Werte, hinter denen ich stehe, und die es für mich logisch machen, warum ich sie leben soll.“ Nachhaltigkeit muss für ihn im Alltag umsetzbar sein. So baut er zum Beispiel Gemüse selbst an. Und man ist schnell wieder beim Thema Mode: Weiß kauft am liebsten fair produzierte Kleidung. Und: Lieber etwas Hochwertiges kaufen, was aber lange hält, ist seine Devise. „Ich versuche, auf meine Sachen zu achten. Ich habe noch Klamotten in meinem Schrank hängen, die ich vor 20 Jahren schon hatte.“
Dieser Artikel erschien zuerst in PRO – das christliche Medienmagazin, Ausgabe 6/2022. Sie können die Ausgabe hier bestellen.