PRO: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Impfaktion anzubieten?
Piero Scarfalloto: Weil ich festgestellt habe: Die Geflüchteten wollen sich impfen lassen, die Arbeitgeber machen Druck – aber die Hürden sind für sie zu hoch. Sie können sich nicht wie wir einfach ins Auto setzen und zum Impfzentrum fahren. Viele haben nicht mal einen Hausarzt. Dementsprechend ist die Impfquote in den beiden Haigerer Flüchtlingsunterkünften niedrig. Natürlich hat das Sozialamt auch Angebote gemacht, aber das hat nicht gereicht. Wir holen unsere Gottesdienstbesucher, die zum Teil weit verstreut in unserer ländlichen Region wohnen, mit dem Auto ab. Da dachten wir uns: Warum holen wir sie nicht einfach zwei Stunden früher ab und bieten ihnen eine Impfung an?
Wie lief die Organisation?
Das Rote Kreuz und das Gesundheitsamt haben die Orga übernommen. Wir haben nur unsere Türen geöffnet, die Werbetrommel gerührt und Flyer gepostet auf Arabisch, Farsi, Tigrinya, Türkisch, Englisch. Mit einem Post oder einer Whatsapp-Nachricht erreichen wir 300 bis 400 Geflüchtete. Wir haben also die Brücke zwischen Gesundheitsamt und den geflüchteten Menschen geschlagen.
Wie viele Menschen sind geimpft worden?
Wir hatten nur 160 Impfdosen zur Verfügung, die Nachfrage war viel höher. Um 14.30 Uhr sollte es losgehen. Um 11 Uhr standen schon die ersten Menschen mit Klappstühlen vor der Tür. Als ich um 12.45 Uhr da war, standen schon deutlich mehr Menschen in der Schlange, als wir versorgen konnten. Wir mussten Viele wieder nach Hause schicken. Weil die Deutschen früher da waren als die Migranten, waren am Ende drei von vier Impflingen deutsch. Da hieß es bei manchen: „Piero, wo ist meine Impfung?“ Und ich konnte nur sagen: „Sorry, Bruder, du kannst dir gerne einen Tee nehmen, aber es gibt leider keine Impfung mehr heute.“
Warum gab es nur 160 Dosen?
Weil die ja auch verimpft werden müssen – und das kostet inklusive Aufklärungsgesprächen und Wartezeiten einfach Zeit. Das Rote Kreuz hat bis nach dem Beginn des Gottesdienstes geimpft. Mehrere Stunden für 160 Impfungen klingen langsam, aber dafür ist auch wirklich alles ordentlich gemacht worden.
Würden Sie die Aktion wiederholen?
Es gibt auf jeden Fall eine große Offenheit dafür. Allerdings müssen wir auch darauf achten, dass alle, die geimpft werden wollen, auch geimpft werden. Vor allem die, die stärker gefährdet sind, zum Beispiel Senioren. Sie sollen nicht stundenlang in der Kälte stehen müssen. Eine Frau aus Syrien kam mit ihrer im Rollstuhl sitzenden mehrfach behinderten Tochter. Wir haben sie gerade noch reinbekommen, weil es noch Reservemärkchen für solche Fälle gab. Trotzdem ist es ein blödes Gefühl für uns, wenn wir eigentlichen allen helfen wollen, die Hälfte der Menschen aber wieder wegschicken. Vielleicht würde es helfen, im Vorfeld doch Termine zu vergeben.
Vielen Dank für das Gespräch.
Eine Antwort
Danke für diesen anrührenden Bericht ! Das sind Christen der Tat ! Hoffentlich gelingt eine Wiederholung der Aktion !
Das ist allemal wertvoller , als ein Bericht über den Herrn Wüst !