Pastor, Filmemacher, Rampensau

Matti Schindehütte ist evangelischer Pastor und Theologe, Filmemacher und auch ein bisschen Politiker. Der Deutsch-Finne, der sich selbst als „Rampensau“ bezeichnet, wird am Karsamstag 50.
Von Jörn Schumacher

„Ich war immer schon eine ‚Rampensau‘ – im positiven Sinne“, sagt der deutsch-finnische Pastor, der mit vollem Namen Matti Justus Schindehütte heißt. Dieses Talent nutzte er, unter anderem drehte er Filme mit Hamburger Künstlern wie Fettes Brot.

Nach mehreren Stationen ist er wieder in seiner Heimatstadt Hamburg gelandet, hier ist er seit einem Jahr Pastor der Evangelischen Kirche in Flottbek. In dieser Gemeinde war schon sein Vater Pfarrer, der unter der Bischöfin Maria Jepsen auch Ökumene-Beauftragter der Nordkirche war. Auch Schindehüttes Frau Katrin ist Pfarrerin, die beiden haben vier Kinder.

„In meiner Jugend war ich Zauberkünstler, und gar nicht so erfolglos“, sagt Schindehütte gegenüber PRO. „Ich zauberte auf Hochzeiten, aber irgendwann merkte ich, viel schöner wäre es, dem Paar als trauender Pastor nahe zu sein denn als Clown bei der Feier danach.“ Er studierte in Hamburg Theologie, das Thema Religion und Politik in Südostasien zu seinem Spezialgebiet, worüber er auch ein Buch schrieb. Er machte zusätzlich eine Ausbildung in Hochschul-Didaktik. „Ich merkte, es ist mein Ding, vor Menschen zu stehen.“ Er promovierte 2006 unter anderem über die Hinwendung Japans zum Islam (im Zuge einer Groß-Asien-Vision wollten die Japaner im Kaiserreich den Islam als treibende Kraft hinter den Unabhängigkeitsbewegungen ausnutzen).

Danach ging er ins Vikariat in die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck. „Das pietistische Umfeld in Marburg tat mir gut“, sagt Schindehütte. Er wurde Pastor zweier Kirchengemeinden in Marburg (die Marienkirche in Wehrshausen und die Pfarrkirche in Elnhausen). Er war in der Zeit auch interreligiöser Beauftragter und Mitglied für die Kammer für Mission und Ökumene und hat sich um den christlich-muslimischen Dialog gekümmert. Er war von 2010 bis 2014 Theologischer Studienleiter des Pfarrkonventes Marburg/Land und von 2014 bis 2020 stellvertretender Dekan im Kirchenkreis Marburg.

Schindehütte ist seit 2011 Vorstandsvorsitzender des Marburger Vereins Kerstin Heim e.V., zu dem ein Internat mit Förderschule für Kinder und Jugendliche mit einer geistigen Behinderung gehört. Der Theologe Tobias Faix war in dieser Zeit ein enger Weggefährte. „Aus einer städtischen Perspektive schaut man vielleicht skeptisch auf das Dorfleben – da gibt es viel Sozialkontrolle, und man kann sich nicht frei entfalten. Ich habe das Gegenteil erlebt“, sagt Schindehütte. Er spielte in der Bezirksliga in Gladenbach Basketball, theologisch habe ihn das eher konservative Christentum geprägt. „Ich habe einen Baukasten an Liturgie kennengelernt, der die Herzen erreichen und Menschen Trost spenden kann. Fragen wurden wichtig wie: Wer ist Jesus Christus für mich? Kann er auch dein Erlöser sein?“ Das Ziel der Arbeit mit Konfirmanden sei, dass sie am Ende sagen können: ja, ich bin Christ.

Dreh mit „Fettes Brot“

„Ich bin jemand, der seinem Herzen und seinen Impulsen folgt.“ Mit 38 spürte er den Wunsch, seine kreative Ader mehr auszuleben. Über Kontakte zu ehemaligen Schulfreunden blieb er aus Marburg heraus in Kontakt nach Hamburg. Der Rapper und Filmemacher Oliver Tietgen hatte Musikvideos unter anderem für Fettes Brot gedreht. Mit ihm zusammen produzierte Schindehütte mehrere Filme, darunter 2017 „Violent Starr“, ein 90-minütiger, eher trashiger Science-Fiction, der ohne computeranimierte Raumschiffe auskam. Schindehütte entwickelte die Idee von Anfang an mit. Der Underground-Superheldenfilm „ABCs of Superheroes“ nahm 2016 das Superhelden-Genre aufs Korn. 2017 folgte mit „Rendel“ ein finnischer Superhelden-Film, 2019 produzierte er für Fettes Brot das Musikvideo „Robot Girl“. Auch sonst verbinden ihn biografische Berührungspunkte mit den Mitgliedern der Hamburger Hip Hop-Gruppe „Fettes Brot“, die sich 2023 auflösten. Mit „Dr. Renz“ wurde Schindehütte gemeinsam konfirmiert; „König Boris“ kennt er noch aus der Zivildienstzeit.

Das Musikvideo „Schuld“ (2021) mit dem Hamburger „Punkrock-Pastor“ Ulf Werner zeigt einen Pastor als Hauptperson, Schindehütte brachte die Bilder auf Beat und machte den Schnitt. Ein „Herzensprojekt“ sei der Videoclip „Tore des Todes“ anlässlich des Ewigkeitssonntages gewesen, sagt Schindehütte. Mit Material der Band „Deichkind“ thematisiert er einen Text Ulf Werners im Ringen ums Leben. „Der Tod hat nicht das letzte Wort“, heißt es am Ende des Films.

Noch in seiner ersten Zeit in Hamburg wurde er Mitglied der Grün-Alternativen Liste Hamburg und war stellvertretender Fraktionsvorsitzender in der Bezirksversammlung Altona und damit einer der Wegbereiter für die erste schwarz-grüne Koalition in Hamburg 2008. „Mir war es wichtig, einer Partei beizutreten, die einen pazifistischen Anspruch hat“, sagt Schindehütte, der sich politisch inzwischen anders orientiert hat. „In Hamburg haben die Grünen eine andere Konnotation als in Hessen.“ Als er nach Kurhessen-Waldeck ging, wurde ihm nahegelegt, auch im Zuge seiner Tätigkeit als Seelsorger seine politischen Aktivitäten aus Zeitgründen niederzulegen. Wieder zurück in Hamburg, trat Schindehütte 2017 der CDU bei. „Als Pegida ein stärkeres Phänomen wurde, fand ich, dass man auch als Beamter für einen Standpunkt einstehen kann. Man verkündet das Evangelium von Jesus Christus; aber man lebt ja auch in der Welt und kann seine Stimme erheben und für Demokratie einstehen.“

Auf die Bitte, in einem Satz zusammenzufassen, was ihm am Glauben am wichtigsten ist, antwortet Schindehütte: „Der Glaube ist der angstlose Umgang mit der eigenen Unzulänglichkeit.“ Wenn sich etwas wie ein roter Faden durch sein Engagement und die Art zieht, die Dinge anzugehen, dann das Spielen mit Erwartungen: Auch beim Zaubern geht es ein wenig darum, eine bestehende Ordnung zu stören, um die Störung dann humorvoll und mit Erleichterung aufzulösen. Aber auch in seinen Filmen geht es oft darum, Dinge zu zerstören, die dann anders wieder aufgebaut werden. „Ich will immer neugierig bleiben, wo Christus uns begegnet.“ Wenn er am 19. April seinen 50. Geburtstag feiert, wird er seine Gemeinde zu einem „Klappstuhl-Karsamstag“ einladen, ein Picknick im Pfarrgarten. Anstatt Geschenke nimmt er Spenden für ein neues Graffiti-Projekt.

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