Mit einem ökumenischen Gottesdienst vor der Premiere sind am Samstag die 42. Passionsspiele in Oberammergau gestartet. Reinhard Kardinal Marx, Erzbischof des Bistums München und Freising, dankte den zahlreichen Mitwirkenden: „Ihr seid ein großes Geschenk für die Welt“, sagte er. Denn mit dem Spiel brächten sie den Menschen Jesus nahe. Das Passionsspiel sei eine Einladung, Jesus kennenzulernen und mit ihm zu gehen.
„In Jesus lernen wir Gott, lernen, die Welt mit seinen Augen zu sehen“, sagte Marx. Das Spiel sei auch eine Herausforderung für alle Suchenden. Denn wenn die Botschaft von ihm wahr wäre, würde das das Leben grundlegend ändern. Es werde mit seiner Blickrichtung reicher und tiefer, erklärte Marx.
Der evangelische bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm machte deutlich, dass die Passionsgeschichte in unsere Zeit von Krieg und Krisen hineinspreche. Auch eigenes Leiden spiegele sich darin. Aber es gelte die Verheißung aus den Seligpreisungen Jesu, dass wer trauere, getröstet werden solle.
„Die Passionsgeschichte kann uns auf unseren persönlichen Weg des Friedens bringen“, sagte er. In Jesus werde der Friede Gottes sichtbar, der höher sei als alle Vernunft. Das Leid und Unglück habe nicht das letzte Wort. Jesus sei der Heiland der Welt. „In seiner Ohnmacht hat er einen Weg heraus aus Hass, Krieg und Gewalt gezeigt.“
Passion ein „kühner Gedanke“
Bedford-Strohm bezog sich auch auf aktuelle Kriege wie den in der Ukraine. Das Leiden Jesu mitzuempfinden mache klar: „Gewalt ist nie gerecht.“ Waffen könnten keinen Frieden schaffen. Gleichzeitig dürfe man nicht wegschauen, wenn jemand einem Aggressor ausgeliefert sei.
Als „selig Gepriesene in einer von Gewalt gezeichneten Welt zu leben“, bedeute, die innere Zerrissenheit auszuhalten zwischen der Verpflichtung zur Gewaltfreiheit und der, Unterdrückten zu helfen. „Und da, wo wir bei dem einen oder anderen schuldig werden, auf die Vergebung zu hoffen.“
Kardinal Marx ergänzte, es sei ein „kühner Gedanke, aber im Glauben möglich“, dass Gott es zugelassen habe, dass sich alle Gewalt der Welt an seinem Sohn Jesus austobe. Damit sei die Verheißung eines Ortes verbunden, „wo alle Gewalt zur Ruhe kommt“.
Am Ende des Gottesdienstes wurden jene Mitwirkenden geehrt, die dieses Jahr, zum achten, neunten oder zehnten Mal dabei sind. Darunter auch Christian Stückl, der die Spiele zum vierten Mal leitet und insgesamt zum achten Mal daran mitwirkt.
Die Passionsfestspiele in Oberammergau gehen zurück auf ein Gelübde der Bürger im Jahr 1633. Wenn Gott der Pest im Ort Einhalt gebiete, wollten sie alle zehn Jahre die Passionsgeschichte aufführen. 1634 brachten sie das Spiel zum ersten Mal auf die Bühne. Eigentlich hätten die 42. Spiele bereits 2020 stattfinden sollen, mussten aber wegen der Corona-Pandemie ausfallen und verschoben werden. Bis Oktober sind über einhundert Aufführungen geplant.
Mitspielen darf, wer in Oberammergau geboren wurde oder seit mindestens 20 Jahren hier lebt. Nur für Kinder des Ortes gilt ein Sonderspielrecht. Rund 1.800 Darsteller wirken insgesamt an den Spielen mit.