"Wenn Sie nicht zufrieden sind, dann tun Sie etwas", forderte Pally Christen zur Mitarbeit in der Politik auf. Schon der Evangelist Matthäus erkläre in der Bibel, der Mensch solle sich nicht um sich selbst sorgen, sondern Gott vertrauen. Dieses Vertrauen besiege die Angst vor dem Handeln – etwa der kompromisslosen Hilfe für den Nächsten. Genauso, wie Christen sich politisch engagieren müssten, sei es auch ihre Aufgabe, sich sozial zu engagieren.
Beispiele für Christen, die sich dieser Lebensweise verschrieben haben, fand Pally in der evangelikalen Bewegung in den USA. Im Rahmen ihrer Buchrecherche habe sie Gläubige kennengelernt, die bewusst die "politische Rechte" verlassen hätten, um sich Themen wie Umweltschutz und sozialem Engagement zu widmen. Pally nannte das Beispiel einer christlichen Familie, die finanziell gut gestellt gewesen sei. Dennoch habe sie sich entschlossen, ein "Familien-Budget" aufzustellen. Für sich selbst hätten die Christen nur jene finanziellen Mittel gehalten, die sie wirklich gebraucht hätten. Den Rest gaben sie laut Pally an ein soziales Projekt. "Genug ist genug", sagte die Wissenschaftlerin und erklärte weiter: Die Entscheidung, zu teilen, "hat das Leben dieser Familie verändert".
"Großzügigkeit ist der Schlüssel"
"Die Bibel macht das Leben nicht einfacher, aber besser", ist die Theologin überzeugt. "Großzügigkeit" sei ein Schlüsselwort im Matthäus-Evangelium. Das gelte nicht nur für materielle Güter. Es sei auch wichtig, dass Christen sich in die Lage des anderen hineinversetzen lernten. Sie halte es für wichtig, dass etwa eine Feministin und ein Christ sich zusammensetzten, um die Abtreibungspolitik zu erörtern. "Wir müssen herausfinden, warum die andere Seite die andere Seite ist", sagte Pally. Die Anleitung zu einer solchen Großzügigkeit gebe die Bibel – die Entscheidung, so zu handeln, müsse der Mensch aber für sich selbst treffen.
Marcia Pally lehrt Multilingual Multicultural Studies an der Universität von New York . In ihrem Buch "Die neuen Evangelikalen in den USA – Freiheitsgewinne durch fromme Politik" begründet sie, warum sie rund ein Viertel der amerikanischen Bevölkerung zu den "Neuen Evangelikalen" zählt. Diese zeichenten sich unter anderem durch eine eher antimilitaristische Grundeinstellung aus, lehnten exzessiven Konsum ab und engagierten sich im sozialen Bereich. (pro)