Weil nach Auffassung der hessischen Landesregierung Zweifel an der Unabhängigkeit des türkischen Moscheeverbands Ditib zur türkischen Regierung bestehen, beendete das Land Ende April die Kooperation in Bezug auf den islamischen Religionsunterricht an Schulen. An 56 hessischen Grundschulen und zwölf weiterführenden Schulen hatte es den Unterricht zuletzt gegeben. Verantwortet wurde er in großen Teilen von der Ditib, dem größten Moscheeverein in Deutschland. Gestartet war das Projekt in Hessen in dieser Form im Jahr 2014.
Die Aufkündigung der Kooperation sei „eine Entscheidung gegen die Kinder, die Religionslehrer, die Eltern muslimischen Glaubens“, zitiert die Süddeutsche Zeitung (SZ) jetzt den Landesgeschäftsführer der Ditib, Onur Akdeniz. Der Sprecher des hessischen Kultusministeriums, Stefan Löwer, sagte jedoch: „Irgendwann war die Tür halt zu.“
Die Grundlage für die Entscheidung des Landes Hessen seien zwei Gutachten gewesen, berichtet die SZ. In dem einen erläutert der Turkologe Günter Seufert, dass die türkische Religionsbehörde Diyanet in Ankara zunehmend zum Instrument der Regierungspartei AKP wird. Die Ditib ist mit Diyanet eng verbunden. In dem anderen Gutachten beschreibt der Verfassungsrechtler Josef Isensee, wie die hessische Ditib vom Bundesverband und damit von Diyanet abhängt: „In dieser Organisationseinheit verfügt der Landesverband nicht über jenes Minimum an institutioneller Unabhängigkeit, dessen er bedarf, um selbstbestimmt seine Aufgabe als Religionsgemeinschaft erfüllen zu können.“ In einem dritten Gutachten schreibt der Erlanger Islamwissenschaftler Mathias Rohe zwar, es gebe keine Anhaltspunkte für eine politische Einflussnahme. Für den Verfassungsrechtler Isensee löst das jedoch nicht die strukturellen Grundprobleme des Vereins.
„Defizite können nicht beseitigt werden“
Landesgeschäftsführer Akdeniz sagte der SZ: „Wir können strukturell und vereinsrechtlich tun, was wir wollen – es bleibt die Herrschaft des faktisch unbegründeten Verdachts.“ Kritik kommt auch von den Universitäten in Frankfurt und Gießen, die islamische Religionslehrer ausbilden. „Mit gutem Willen hätte man – bei allen Problemen mit der Ditib – dieses Ende vermeiden können“, sagte der Frankurter Erziehungswissenschaftler Harry Harun Behr.
Die hessische Landesregierung ist jedoch anderer Meinung. Es sei nicht zu erwarten, „dass die Defizite in absehbarer Zeit beseitigt werden können“, sagte Kultusminister Alexander Lorz (CDU) zum Ende der Ditib-Kooperation. „Ditib Hessen bildet das letzte Glied einer Weisungskette, die über den Bundesverband zur türkischen Religionsbehörde Diyanet führt, die ihrerseits unmittelbar dem türkischen Staatspräsidenten untersteht“, sagte er außerdem.
Statt des islamischen Religionsunterrichts soll es in Hessen nun das Fach Islamkunde geben. Der soll nach den Sommerferien starten und rein staatlich verantwortet werden. Ein Unterschied: Mit den Schülern wird nicht mehr gebetet. Akdeniz sagte gegenüber der SZ, man erwäge eine Klage vor dem Verwaltungsgericht.
Von: Swanhild Zacharias