Während Deutschland bei der Digitalisierung an Schulen teils hinterherhinkt, ist in den Niederlanden technische Infrastruktur bis in den letzten Winkel geboten. Das bedeutet aber nicht, dass diese gute Ausstattung gleichzeitig stets Heilsbringer ist. Das Beispiel von „iPad-Schulen“ zeigt, dass digitales Lernen nicht alles sein kann. Darüber berichtet eine Reporterin von Focus Online, Petra Apfel, in ihrer Reportage „Hollands Digital-Schulen waren ein Flop: Was Deutschland aus den Fehlern lernen kann“.
In den Niederlanden könne jeder eine Schule gründen und eigens gewählte Methoden wählen, solange das vom Bildungsministerium vorgegebene Ziel erreicht werde. Das Konzept der komplett digitalisierten Schulen sei jedoch fehlgeschlagen, schreibt Apfel: „Das Beispiel der ,Steve-Jobs-Schulen‘ zeigt, dass man neue Wege nicht im Galopp nehmen kann, sonst fliegt man schnell aus der Kurve.“ 2013 rief der Meinungsforscher Maurice de Hond die „Steve-Jobs-Schulen“ ins Leben, die nach dem Gründer des Technologieunternehmens Apple benannt wurden.
Lehrer werden „Coaches“ genannt
Diese Schulen setzten auf ein rein auf Computerprogramme gestütztes, personalisiertes Lernen in individuellem Tempo, erklärt Apfel. Der Unterricht fand teils zu Hause, teils als Workshops in Räumen statt, „die nichts mit Klassenzimmern zu tun haben sollten“. Die Lehrer nannten sich „Coaches“. Anstatt die Kinder bei ihrem selbstgewählten Wissenserwerb per Laptop anzuleiten, sollten diese die Jungen und Mädchen eher beim eigenständigen Lernen unterstützen.
Doch nun gelten die niederländischen Schulen mit dem Konzept „O4NT“, der „Unterricht für eine neue Zeit“, als fehlgeschlagen. Etwa 20 der Schulen gibt es im Land, Meinungsforscher De Hond hatte zu Beginn jedoch damit gerechnet, dass es 2016 bereits 100 dieser Schulen geben werde, berichtet die Süddeutsche Zeitung (SZ). Eine Reihe von Schulen, die mit dem Konzept arbeiteten, seien wieder davon abgewichen. Im März sei zudem bekannt geworden, dass die „O4NT“-Stiftung, die die immer teurer werdende Software für das Konzept stellte, pleite sei.
An dem Lernentwurf gab es scharfe Kritik von den Behörden. Eine Schule in Amsterdem unter der Trägerschaft der Stiftung etwa bekam ein übles Zeugnis: „Die Qualität des Unterrichts weist wichtige Mängel auf und wird von uns als sehr schwach beurteilt“, hieß es in einem Bericht, aus dem die SZ zitiert. Und so wurde die Einrichtung unter verschärfte Aufsicht gestellt.
Gleichaltrigen Schülern unterlegen
Dass es diesen Misserfolg der Schulen gibt, liege viel mehr am Prinzip des völlig selbstbestimmten Lernens als am Medium Laptop. Apfel schreibt, dass Kinder, die in andere Schulen wechselten, ihren Klassenkameraden weit hinterher hingen.
Focus Online lässt Joost Mejer zum digitalen Lernen zu Wort kommen. Der Vertreter vom Kohnstamm-Institut der Uni Amsterdam, beschäftigt sich mit den Effekten des digitalisierten Lernens: „Wir haben herausgefunden, dass das rein digitale Lernen allein in Mathematik einen Motivationsschub gab, nicht aber in anderen Fächern.“
Allein die Ausstattung mit digitalen Geräten hilft nicht weiter
Deutschland hat in Sachen digitaler Bildung Nachholbedarf. Das stellte der Bildunsgmonitor 2018 fest. Es mangele an der technischen Ausstattung ebenso wie an der entsprechenden Ausbildung der Lehrkräfte. Die Schwierigkeiten beginnen laut der Studie dabei, ob die Schulen überhaupt technisch ausreichend ausgestattet sind, etwa mit freiem W-LAN oder Computerarbeitsplätzen. Defizite sieht die Studie aber auch bei der Ausbildung der Lehrkräfte.
Hubertus Pellengahr, der Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die den Bildungsmonitor verantwortet, erklärte: „Für die Digitalisierung brauchen wir eine bessere Ausstattung der Schulen, mehr Lehrerfortbildung, mehr Austausch über innovative digitale Lehr- und Lernkonzepte und vor allem eine regelmäßige Überprüfung digitaler Kompetenzen der Schüler und ihrer Lehrer.“ Allein die Ausstattung mit Computern und anderen digitalen Geräten helfe aber noch nicht weiter. Es brauche pädagogische Konzepte für ihren Einsatz, damit die Schüler dadurch auch tatsächlich ihre Kompetenzen und Fähigkeiten verbessern können.
Von: Martina Blatt