Mobbten Kinder und Jugendliche vor ein paar Jahren noch vor allem aus Spaß und Langeweile, wird die „Waffe Smartphone“ inzwischen immer gezielter und aus Rache eingesetzt. Das ergab eine aktuelle Studie des Bündnis gegen Cybermobbing, die in Berlin vorgestellt wurde. Die Organisation hat dafür in den vergangenen Monaten über 3.000 Schüler, Lehrer und Eltern befragt.
„Beleidigungen und Beschimpfungen per WhatsApp kennt heute jeder Grundschüler, der ein Smartphone hat“, sagte Catarina Katzer vom Vorstand des Bündnisses gegen Cybermobbing. Und das haben die meisten. Die Opfer von Cybermobbing werden immer jünger, auch das ist ein Ergebnis der Studie. Schon in der Grundschule beginnt der Terror, bei den 14- bis 16-Jährigen hat demnach fast jeder Vierte mit dem Problem zu kämpfen. Insgesamt wurden 13 Prozent der Befragten von der Grund- bis zur Berufsschule schon einmal im Netz gemobbt. In absoluten Zahlen seien das über 1,4 Millionen Jugendliche, betonte Bündnis-Vorstandschef Uwe Leest. Mit fatalen Folgen: Neben von Lehrern festgestellten Angstzuständen und Leistungsabfall hat laut Studie jeder fünfte Cybermobbing-Betroffene schon an Selbstmord gedacht.
Was Eltern tun können
Nicht selten werden Opfer selbst zu Tätern. Das Lernverhalten im Netz ist laut Katzer enorm. Aggressionen seien „salonfähiger“ geworden. Die Anonymität in digitalen Medien unterstütze das. „Man hat eine Distanz zum Opfer und steckt nicht drin in der Situation“, so die Cybermobbingexpertin. Die gute Nachricht: Wo Prävention geschieht, da wirkt sie auch. Doch nach Ansicht des Bündnisses muss hier noch viel mehr geschehen. Für Uwe Leest ist es wichtig, die bloßen „Zuschauer“ zu erreichen. „Wir müssen diese Jugendlichen dazu bringen, sich auf die Seite des Opfers zu stellen, das schwächt den Täter.“ Das Lernen von „digitaler Empathie“ hält auch Catarina Katzer für nötig.
Unter den Eltern lässt die neue Studie eine gesteigerte Sensibilität für das Thema Cybermobbing erkennen. Sie seien aber oft hilflos und bräuchten Unterstützung, so Leest. Peter Sommerhalter, Präventionstrainer an deutschen Schulen, erlebt in der Praxis allerdings: „Zu den Infoabenden kommen oft nur die paar Eltern, die eigentlich schon Bescheid wissen.“ Das „Peer to Parent-Konzept“ des Bündnisses setzt daher auf die Kommunikation zwischen Kindern und Eltern. Sommerhalters Appell außerdem: Eltern sollten ihr „Elternsein“ ausüben und entsprechende Entscheidungen treffen. Bei seinen Kindern hieße das zum Beispiel, als einziges Kind in der fünften Klasse kein Handy zu haben oder nicht wie vorgeschrieben der WhatsApp-Gruppe des Schulorchesters beizutreten.
Bei den Lehrern hatten 51 Prozent bereits mit einem oder mehreren Cybermobbingfällen zu tun, die meisten an Gesamtschulen. Auch sie wünschen sich laut Studie mehr Unterstützung. Das Bündnis gegen Cybermobbing empfiehlt deshalb unter anderem eine verbesserte Lehrerfortbildung und die Einführung des Schulfachs Medienerziehung. Eine wesentliche Forderung der Organisation ist neben der Anwendung und Umsetzung aktueller Gesetze ein eigenes Cybermobbing-Gesetz, um zu zeigen, dass es sich nicht um Kavaliersdelikte handle. Präventionstrainer Sommerhalter erhofft sich von solch einem Gesetz in der Problematik besser geschulte Polizisten. Wer Cybermobbing zur Anzeige bringen wolle, müsse oft einen regelrechten Parcours durchlaufen.
Das Bündnis gegen Cybermobbbing wurde 2011 gegründet. Zu dem Netzwerk gehören unter anderem Eltern, Pädagogen, Juristen und Mediziner. Prominente aus Sport, Politik und Medien unterstützen die Organisation. Sie forscht über Ursachen und Auswirkungen von Mobbing im Internet und klärt darüber auf. Mit Infoveranstaltungen und einem Hilfeportal im Internet will sie vorbeugen und Rat geben. (pro)
Von: Christina Bachmann