Zäune für die Online-Spielwiese

Kinder und Jugendliche sollen vor potenziell schädlichen Inhalten in Rundfunk, Fernsehen und Internet geschützt werden. Gerade im Internet ist der Schutz notwendig, weil alle Informationen leicht verfügbar sind. Allerdings steckt das technisch noch in den Kinderschuhen.
Von Norbert Schäfer
Mit dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag sollen Kinder und Jungendliche vor jugendgefährdenden Inhalten im Internet geschützt werden

Die Jugend vor gefährlichen Einflüssen zu schützen, ist eine wichtige Aufgabe, die der deutsche Staat sich gegeben hat. Wie wichtig ihm das ist, ist daran zu sehen, dass der Jugendmedienschutz genauso im Grundgesetz verankert ist wie etwa die Presse- und Meinungsfreiheit – diese können sogar begrenzt werden, um die junge Generation zu schützen. Wie genau das aussieht, regeln einzelne Gesetze und Verträge. Etwa der „Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien“ (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, kurz: JMStV). Seit dem 1. Oktober 2016 gilt eine neue Version davon.

Der JMStV ist neben dem Jugendschutzgesetz, das die Abgabe von Alkohol, Filmen, Videos, CDs und DVDs sowie Tabakwaren an Kinder und Jugendliche gesetzlich regelt, das zweite Regelwerk für den gesetzlichen Jugendmedienschutz. Der JMStV bündelt den Jugendmedienschutz für den Bereich des privaten Rundfunks und der Telemedien – vor allem des Internets – unter der zentralen Aufsicht der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM). Dadurch soll unterbunden werden, dass gleiche Inhalte in verschiedenen Medien unterschiedlichen Bestimmungen unterliegen. Denn durch die Digitalisierung und die technischen Vernetzungen sind die meisten Medieninhalte auf verschiedenen Kanälen verfügbar. Dieser Entwicklung, der sogenannten Medienkonvergenz, will der Gesetzgeber damit Rechnung tragen.

Für das Internet betreibt vor allem jugendschutz.net, eine gemeinnützige GmbH, auf der Grundlage des JMStV Jugendmedienschutz in den sogenannten Telemedien. Dazu gehören vor allem die verschiedenen Internetdienste. Jugendschutz.net wird gemeinsam finanziert von den Landesmedienanstalten und den Ländern und wendet sich meist mit einem Anschreiben an Telemediendiensteanbieter, wenn ein Verstoß festgestellt wird. Reagiert der Anbieter nicht, wird der Fall an die KJM weitergeleitet. „Um eingreifen zu können, muss der Telemediendienstanbieter seinen Sitz in Deutschland haben. Sonst sind uns die Hände gebunden“, sagt Andreas Fischer, Vorsitzender der KJM und Direktor der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) in Hannover. Große Anbieter, etwa die Suchmaschine Google oder das soziale Netzwerk Facebook, haben ihren Sitz in den USA, auch wenn sie hier Geschäftsstellen betreiben. Da kann die KJM nur anstoßen, die jugendgefährdenden Inhalte auf den Index zu setzen. Der KJM-Vorsitzende wünscht sich, dass technische Lösungen auf Mobilgeräten und Computern für den Jugendmedienschutz im Internet in Zukunft verbessert werden. Allerdings ist eine flächendeckende technische Lösung bislang nicht abzusehen. Auch für die Eltern sind die technischen Hürden nach Einschätzung Fischers noch zu hoch und verhinderten so, dass auf den Geräten der Kinder Jugendschutzprogramme nachträglich installiert und „unzulässige“ Inhalte gesperrt werden.

Die Netzgemeinde fürchtet Zensur

Im Sinne des Jugendmedienschutzes gelten unter anderem Angebote als unzulässig, wenn „deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist“, sie „zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln“ oder „den Krieg verherrlichen“. Pornografie, die Darstellung von sexuellem Missbrauch oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren gelten ebenfalls als jugendgefährdend. Auch nationalsozialistische Inhalte, grausame Gewalt gegen Menschen und die Herabsetzung der Menschenwürde sind verboten. Auf der weiten Spielwiese des Internets sind diese Dinge jedoch sehr leicht zu finden und ohne größere Hürden verfügbar. Da Zäune zur Orientierung und Sicherheit aufzustellen, ist eine Herausforderung für den Jugendmedienschutz.

Bei der technischen Umsetzung könnte nach Meinung Fischers Großbritannien als Vorbild dienen. Dort gibt es Filter direkt vom Internetanbieter. Die können entweder einfach aktiviert oder müssen bewusst ausgeschaltet werden. Gerade in dieser Opt-Out-Variante, wo die Nutzer den Filter deaktivieren müssten, sehen Kritiker eine Zensur, weil dadurch nicht grundsätzlich alle Inhalte zu sehen sind. „Die von zumeist kinderlosen Männern dominierte Netzgemeinde wittert dann sofort eine Einflussnahme auf das Internet. Ich würde eine solche Maßnahme befürworten“, sagt Fischer. Den Eltern, die ihre Kinder vor schädlichen Inhalten schützen wollten, müsse es leichter gemacht werden. „Wer es nicht will, etwa ein reiner Erwachsenenhaushalt, soll das dann einfach abschalten.“ Diese Freiheit sollten Eltern immer haben.

Die KJM hat bislang zwei Jugendschutzprogramme in Deutschland anerkannt. Eines ist von der Deutschen Telekom AG. Das Unternehmen hat jedoch angekündigt, die Kinderschutz-Software zum Jahresende einzustellen. Das andere ist vom Verein JusProg, der sich mit Jugendschutz in Telemedien beschäftigt. Es wertet die Altersklassifizierung der Webseiten aus. Denn nach dem neuen JMStV sind Seitenbetreiber verpflichtet, ihre Seiten nach Altersgruppen ab sechs, zwölf, 16 oder 18 Jahren einzustufen, wenn deren Angebote die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen beeinträchtigen könnten. Das geschieht durch Einträge in einer speziellen Datei, die auf dem Server liegt und von den Schutzprogrammen erkannt wird. Stellt das Programm fest, dass das Alter des Kindes unter der Altersfreigabe der Webseite liegt, werden die Inhalte nicht angezeigt. Allerdings besteht die Gefahr, dass auch Seiten nicht angezeigt werden, die keine Altersklassifizierung haben, auch wenn die Inhalte weder gefährdend noch unzulässig sind.

Bei Pornos gibt es die meisten Verstöße

JusProg bietet sein Jugendschutzprogramm zum Download auf der Webseite jugendschutzprogramm.de an und kann namhafte Unterstützer vorweisen, darunter RTL 2, freenet, Vodafone, Telekom und die ProSiebenSat.1 Media SE. Allerdings gibt es die Software bislang nur für Windows-Betriebssysteme. Überhaupt fällt auf, dass in der Fülle verschiedener Internetangebote zum Thema Jugendmedienschutz, von denen eine Anzahl vom Bundesministerium für Familie und Jugend verantwortet oder gefördert wird, keine Schutzsoftware zu finden ist, die vom Betriebsystem unabhängig und für Smartphones und PCs gleichermaßen funktioniert.

Webseitenbetreiber, die problematische Inhalte, beispielsweise sexuelle oder gewaltverherrlichende Bilder, Filme oder Spiele anbieten, müssen mit der Novellierung des JMStV auch einen Beauftragten für Jugendmedienschutz bestellen, ebenso die Betreiber von Suchmaschinen. Dieser soll Nutzer als Ansprechpartner in Fragen des Jugendschutzes beraten. Um Smartphone oder Tablet kindersicherer zu machen, gibt es kostenlose, allerdings von der KJM nicht anerkannte, Jugendschutz-Apps bei SCHAU HIN!. Diese Initiative, an der das Bundesministerium für Familie und Jugend sowie mehrere Medienunternehmen beteiligt sind, berät Eltern zudem bei Fragen zum kindgerechten Umgang mit Internet, insbesondere den sozialen Netzwerken und mobilen Geräten.

Den größten Anteil von Verstößen verzeichnet die KJM bei der Verbreitung von pornografischen Inhalten. Dazu kommt, dass die sozialen Medien mit den diversen Videoplattformen und Foren, die das Ansehen, Hochladen, Bewerten und Kommentieren von Filmen und Bildern im Internet erlauben, die Kontrolle gefährdender Inhalte erschweren. Fischer mag das Argument, den Jugendmedienschutz wegen der Komplexität und der ungeheuren Dynamik der Medienwelt abzuschaffen, nicht mehr hören. „Man kann den Jugendmedienschutz nicht abschaffen, weil ohnehin dagegen verstoßen wird. Das ist so unsinnig wie die Forderung, die Straßenverkehrsordnung abzuschaffen, nur weil ständig dagegen verstoßen wird.“ (pro)

Der Text ist der Ausgabe 6/2016 des Christlichen Medienmagazins pro entnommen. Bestellen Sie pro kostenlos und unverbindlich unter Telefon 06441 915 151 oder per E-Mail an info@kep.de.

Von: nob

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