Die Anschläge auf drei Kirchen und mehrere Hotels in Sri Lanka am Ostersonntag haben ein Nachspiel. Bei den Vorfällen wurden mehr als 250 Menschen getötet, die meisten von ihnen Christen. Im Nachgang dazu gab es in mehreren Städten Ausschreitungen gegen Muslime und dabei auch ein erstes Todesopfer. Einige Übergriffe gegen Muslime wurden in manchen Medien explizit Christen zugeschrieben. Die christliche Menschenrechtsorganisation Open Doors warnt jedoch vor schnellen Bewertungen.
Eigenen Angaben zufolge hat die Organisation selbst Nachforschungen unternommen und ist dabei zu einem anderen Ergebnis gekommen. Ein für die Region verantwortlicher Mitarbeiter schrieb nach Rücksprache mit Christen vor Ort an Open Doors Deutschland: „Die Nachrichten, dass Christen in Sri Lanka Muslime angreifen würden und sogar einen Muslim getötet hätten, sind nicht wahr. Das Land ist in Aufruhr. Bitte betet, dass die Behörden die Situation schnell unter Kontrolle bringen können.“ In der Pressemitteilung geht es der Organisation darum, die Ereignisse zurückhaltend zu bewerten.
Buddhistische Gruppe stachelt auf
Open Doors verweist in seiner Pressemeldung vom 16. Mai auf einen Bericht eines christlichen Leiters in Sri Lanka. Dieser berichtet: „Die jüngsten Angriffe auf Eigentum von Muslimen gingen nicht von Christen aus. Als in den sozialen Netzwerken der hasserfüllte Kommentar eines Muslims auftauchte, stachelte die buddhistische Gruppe ‚Mahason Balakaya‘ die Menschen vor Ort gegen Teile der muslimischen Bevölkerung auf. Wenig später nahmen Behörden zwei Personen dieser buddhistischen Gruppierung fest. Unter dem Einfluss einiger Politiker haben buddhistische Extremisten diese Attacke gegen Muslime initiiert.“ Auch die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, dass die Regierung Sri Lankas Buddhisten für die Gewalt verantwortlich machte. Demnach wurden 78 Randalierer verhaftet, darunter auch drei buddhistische Extremisten, die im vergangenen Jahr ähnliche Aktionen durchgeführt hätten.
Open Doors verweist zudem auf eine Meldung der Deutschen Presse-Agentur vom 14. Mai. Darin heißt es, dass die Attacken von „Angehörigen der ethnischen Gruppe der Singhalesen“ ausgegangen seien. Der christliche Parlamentsabgeordnete M. Abraham Sumanthiran hatte am 24. April im Parlament betont: „Wir trauern, aber wir werden nicht zulassen, dass Hass und der Wunsch nach Rache uns einnehmen.“
Familien erleiden Unrecht durch Falschmeldungen
Der Leiter von Open Doors Deutschland, Markus Rode, rief zur Unterstützung der betroffenen Familien in Sri Lanka auf: „Viele Familien haben an Ostern unsagbares Leid erfahren. Durch Falschmeldungen in den Medien und Gerüchte, in denen ihnen zu Unrecht Gewalt gegenüber Muslimen vorgeworfen wird, erleben sie erneut Leid und Anfeindung. Sie brauchen jetzt unsere Solidarität sowie unseren Trost und Beistand.“
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte im Rahmen ihrer Berichterstattung in ihrer Online-Ausgabe von „einem Mob“ geschrieben, der den muslimischen Mann attackiert und getötet habe. „Zumeist christliche Randalierer attackierten in mehreren Städten dutzende Geschäfte und Fahrzeuge von Muslimen sowie Moscheen“, heißt es in gleichlautenden Passagen von FAZ und dem Nachrichtenmagazin Focus.
Ein muslimischer Ladenbesitzer hatte im Internet geschrieben: „Hört auf zu lachen, eines Tages werdet ihr weinen.“ Christliche Gruppen hätten darin eine Anschlagsdrohung gesehen. „Sie attackierten daraufhin den Laden des Händlers und weitere Geschäfte. Zudem randalierten sie in einer Moschee“, meldet die FAZ.
Konfessionelle Schulen sollten wieder öffnen
Regierungschef Ranil Wickremesinghe appellierte laut Focus an die Bevölkerung, sich nicht von Falschinformationen beeinflussen zu lassen. Seit der Anschlagsserie gilt in Sri Lanka der Ausnahmezustand. Zudem wurden die Befugnisse der Polizei ausgeweitet.
Sri Lanka hat 21 Millionen Einwohner. Zehn Prozent davon sind Muslime, etwa 7,6 Prozent Christen. Die überwiegende Mehrheit der Bewohner gehört dem buddhistischen Glauben an. Am Sonntag hatten katholische Kirchen in Colombo erstmals seit Ostern wieder die Sonntagsmesse gefeiert. Am Dienstag sollten auch private katholische Schulen wieder öffnen.
Von: Johannes Blöcher-Weil