OneHope-Leiter: „Influencer sind Rabbis unserer Zeit“

Junge Menschen sind erschöpft, suchend und spirituell offen. Das zeigen Studien. Die Überflutung durch Medien verstärkt Unsicherheit und Einsamkeit.
Von Norbert Schäfer
Matthias Rohde

Mit der Studie „Global Youth Culture“ hat das internationale Netzwerk zur Kinder- und Jugend-Evangelisation „OneHope“ 2020 – kurz vor Covid19 – in 20 Ländern fast 8.400 Jugendliche zu Werten, Glauben, Medienverhalten und psychischer Gesundheit befragt. Das Bild, das sich zeichnet, ist komplex – und besorgniserregend.

„Wenn jeder vierte Jugendliche Suizidgedanken hat, dann reden wir nicht mehr von Einzelfällen – sondern von einem kollektiven Hilfeschrei“, sagt Matthias Rohde, der Leiter von „OneHope“ Deutschland, über die Ergebnisse der Studie, gegenüber PRO. Die zeige: Depressionen betreffen fast die Hälfte aller Jugendlichen, Angstzustände sogar 55 Prozent.

Doch es gebe auch Hoffnungsschimmer. Jugendliche mit aktivem christlichem Glauben – gemessen an sechs einfachen Merkmalen wie Gebet, Bibellesen und Gottesbild – schneiden bei der Untersuchung in fast allen psychischen Bereichen deutlich besser ab. „Glauben schützt nicht vor Krisen – aber er gibt Halt“, interpretiert Rohde die Ergebnisse der Studie.

Sieben Stunden täglich am Smartphone

Der weltweite Durchschnitt der täglichen Bildschirmzeit liegt laut Studie bei mehr als sieben Stunden. „Wir unterschätzen, was das mit den Jugendlichen macht – und mit ihrer Seele.“ Rohde spricht von einem „emotionalen Dauerrauschen“, das keinen Raum mehr lasse, Gedanken und Gefühle zu verarbeiten. Als Jugenddiakon einer Gemeinde berichtet Rohde von einem 16-Jährigen, der auf einer handyfreien Freizeit nach zwei Tagen in Tränen ausbrach – ohne zu wissen, warum. „Er sagte: ‚Ich glaube, mein Handy hat all diese Gefühle die ganze Zeit runtergedrückt – und jetzt, wo es weg ist, kommt alles hoch.‘“
Rohde warnt deshalb: „Jugendliche können ihr Handy nicht einfach weglegen. Sie brauchen dazu unsere Begleitung, eine Sensibilisierung dafür, was es mit ihrer Seele macht, und Ermutigung, sich dem zu stellen, was da alles noch unverarbeitet in ihnen los ist.“

Gen Alpha: Früh betroffen, spirituell suchend

Auch die jüngste Generation, die Gen Alpha (2010–2024 geboren), rückt in den Blick der Untersuchungen von OneHope. Erste Studien aus den USA zeigten, dass sich Trends aus der Gen Z nicht nur fortsetzen – sondern verfrühten. „Jeder siebte 13-Jährige kämpft mit Suizidgedanken – das hätte man sich vor ein paar Jahren nie vorstellen können. Heute ist es Realität“, konstatiert Rohde.

Gleichzeitig seien diese Teens auffallend offen für Spiritualität. Doch diese Offenheit wird gemäß der Studie zunehmend von anderen Strömungen genutzt: Astrologie, Manifestieren, Tarotkarten. „Die geistliche Neugier ist da – aber wenn wir sie nicht ansprechen, tut es jemand anderes.“

Was bedeutet das für Kirche und Gemeinden?

Rohde ist überzeugt: „Diese Generation braucht keine weichgespülten Botschaften – sie braucht Klarheit, Halt und Tiefe.“ Die Kirche habe lange genug versucht, „der Welt zu zeigen, dass Christen doch gar nicht so anders seien“ – dabei liege die Kraft gerade im Anderssein. „Jesus ruft nicht zur Selbstverwirklichung, sondern sogar zur Selbstverleugnung auf, wenn wir ihm nachfolgen wollen. Diese Botschaft ist nicht Mainstream – aber sie ist genau das, was von der Gen Alpha gesucht wird.“

Besonders wichtig erachtet Rohde intergenerationaler Beziehungen. Die Studien zeigten, dass es einen entscheidenden Unterschied auf die psychische Gesundheit und die Glaubensentwicklung von Jugendlichen habe, wenn sie fünf erwachsene Bezugspersonen hätten. „Erwachsene unterschätzen oft, wie wichtig sie für junge Menschen sind. Gerade in einer Welt, in der Eltern und Lehrer oft abwesend oder überfordert sind.“

Influencer versus Jugendleiter

„Die Influencer sind die Rabbis unserer Zeit“, sagt Rohde und bewertet die Rolle christlicher Influencer differenziert. „Online-Impulse sind wichtig – aber echte, analoge Beziehungen können sie nicht ersetzen“, sagt er. Digitale Formate hätten ihre Berechtigung, gerade zur Erstbegegnung mit Glauben. Doch: „Der Jugendleiter, der zuhört und da ist, hat auf Dauer mehr Einfluss als jeder Bildschirm.“

Rohde zieht ein eindringliches Fazit: „Die mentalen Krisen unserer Zeit zeigen, dass die Werte und Denke unserer modernen Kultur versagen, Jugendlichen das zu geben, was sie wirklich brauchen.“

„OneHope“ will eigenen Angaben zufolge weltweit „Katalysator sein“ für christliche Kinder- und Jugendarbeit. Dazu ist das Werk in mehr als 100 Ländern aktiv und erreicht durch seine Partner jährlich rund 150 Millionen junge Menschen mit unterschiedlichen Bibelmaterialien.

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