Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zur Eröffnung der 10. Weltkonferenz von „Religions for Peace“ betont, dass jede Religion eine Friedensbotschaft hat. „Zu den tiefsten Versprechungen aller Religionen gehört der Friede – Seelenfriede und der Friede mit dem Nächsten und Fernsten“, sagte er am Dienstag in Lindau. Die Glaubwürdigkeit einer Religion stehe auf dem Spiel, wenn sie sich nicht für Frieden einsetze. Dann werde sie ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht. „Jede Religion, die sich mit Terror, Gewalt und Unterdrückung behaupten will, diskreditiert sich selber.“
Dabei müsse Frieden mehr sein als die Abwesenheit von Krieg. Es bedeute etwa, einen gerechten Anteil an Gütern der Welt zu haben oder den Glauben ungehindert ausdrücken zu können. „Das hebräische Wort ‚Shalom‘ meint die Möglichkeit, ein menschenwürdiges Leben zu führen.“
„Es darf uns, denen Religion wichtig ist – dabei darf ich mich als bekennender Christ einschließen –, nicht gleichgültig sein, wenn Menschen zum Ausdruck bringen, dass Religionen Kriege fördern.“ Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Wahrheitsanspruch friedlich vertreten
Jede Religion habe den Anspruch, wahr zu sein. Das gehöre zu ihrem Wesen und darauf könne eine Religion nicht verzichten, betonte Steinmeier. Aber dieser Wahrheitsanspruch dürfe nur friedlich vertreten werden. „Wir mögen unterschiedlich sein in unserem Glauben. Aber einen muss uns die gemeinsame Haltung: Religion darf keine Rechtfertigung für Hass und Gewalt sein. Kein Krieg darf im Namen der Religion geführt werden.“
Steinmeier stellte fest, dass in zahlreichen gewaltsamen Konflikten religiöse Überzeugungen eine Rolle spielten. Er verwies auf den Dreißigjährigen Krieg in Europa, der um christliche Glaubensbekenntnisse geführt worden sei, aber auch auf aktuelle Krisen. „Wir erleben immer wieder, wie sich Religion unter Einfluss gewissenloser Anführer als furchtbare, gnadenlose Macht erweisen kann.“ Jedoch könnten Religionen auch „konstruktive Kräfte bei der Lösung von Konflikten sein“. Das müssten Diplomatie und Außenpolitik erkennen. Religionen könnten als Instrumente des Friedens einen „unverzichtbaren und unersetzbaren Dienst an Menschen leisten“.
„Das Fundament ist: Wir sind Menschen“
Als ein Vertreter der christlichen Kirchen sagte Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland: „Gott ist der Schöpfer von Himmel und Erde. Er hat die Menschen mit Würde geschaffen. Mit diesem Konsens setzen wir Zeichen gegen Hass und Gewalt.“ Er nannte die Konferenz „ein Zeichen der Hoffnung“ in einer von Krisen geschüttelten Welt. Die Teilnehmer der Konferenz rief er dazu auf, mit „Empathie, Liebe, Freundlichkeit“ Hass und Gewalt zu überwinden.
Sein Amtskollege Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, betonte in seinem Grußwort: „Das Fundament von allem ist, dass wir Menschen sind, auch mit unterschiedlichen Religionen und politischen Überzeugungen. Wir sind Menschen und haben einen Schöpfer, der uns gemacht hat.“ Vor allem dort, wo eine Religion in der Gesellschaft dominiere, sei es eine große Herausforderung, „dass Religion ein Instrument des Friedens wird, nicht Instrument des Krieges und der Unterschiede“.
„Religions for Peace“ ist die größte internationale multireligiöse Allianz, die sich für Frieden einsetzt. Bei der diesjährigen 10. Weltkonferenz in Lindau stehen Fragen nach dem Gemeinwohl im Mittelpunkt der Beratungen. Rund 900 Gäste und Delegierte verschiedener Religionen aus 125 Ländern nehmen an der Konferenz teil, die noch bis Freitag geht.
Von: Jonathan Steinert