In der Türkei hat sich Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan bei den Präsidentschaftswahl am Sonntag offiziellen Zahlen zufolge mit mehr als 52 Prozent der Stimmen gegen seine Herausforderer durchgesetzt. Sein schärfster Konkurrent im Kampf um das Amt, Muharrem Ince von der oppositionellen Republikanischen Volkspartei CHP, konnte nur rund 31 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Bei den wahlberechtigten Türken in Deutschland hat Amtsinhaber Erdogan sogar ein deutlich besseres Ergebnis erzielt als in der Türkei. Erdogan bekam hier mehr als 60 Prozent der Stimmen, berichtet die Tagesschau. Demnach erhielt Ince in Deutschland rund 22 Prozent der Stimmen.
Der frühere Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Cem Özdemir, kritisierte in einem Interview des Deutschlandfunk am Montag das Wahlverhalten der Deutschtürken. Die „feiernden deutsch-türkischen Erdogan-Anhänger“ vom Vorabend und der Nacht hätten nicht nur gefeiert, „dass ihr Alleinherrscher jetzt noch stärker Alleinherrscher“ werde, sondern „damit auch ein bisschen eine Ablehnung zur liberalen Demokratie zum Ausdruck gebracht“, erklärte der Grünen-Politiker. Özdemir war 1994 als erster Abgeordneter mit türkischen Eltern über die Landesliste seiner Partei in Baden-Württemberg in den Bundestag eingezogen.
Özdemir rechnet damit, dass „der Kurs der Türkei eher noch nationalistischer werden wird“. Das verheiße aus seiner Sicht nichts Gutes für die Integrationsdebatte in Deutschland. Nach Özdemirs Einschätzung werden „90 Prozent oder noch mehr“ der Medien in der Türkei von Erdogan kontrolliert. Von einem fairen Wahlkampf könne daher nicht gesprochen werden. Özdemir äußerte sich in dem Interview zudem skeptsich zu mögichen EU-Beitrittsgesprächen mit der Türkei. „Ein Alleinherrscher, der nicht an die Demokratie glaubt, der glaubt, dass Journalisten, die kritische Fragen stellen, ins Gefängnis gehören. Ich weiß nicht, wo der hingehört, aber garantiert nicht in die Europäische Union“, sagte Özdemir im Deutschlandfunk.
Von: Norbert Schäfer