„Wir können uns nicht hinter einer Mauer verstecken.“ Ein Satz Barack Obamas reichte, damit jeder wusste, wie er zur Politik seines Nachfolgers steht. Donald Trump, der unter anderem mit der Ankündigung die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, eine Grenzmauer zu Mexiko zu bauen, steht nicht nur in seinem politischen Stil im krassen Kontrast zu Obama.
Zehntausende waren bei bestem Wetter vor das Brandenburger Tor in Berlin gekommen, um Obamas und Angela Merkels Auftritt im Rahmen des Deutschen Evangelischen Kirchentages mitzuerleben.
Die Veranstalteter erwarteten 80.000 Besucher
Der Ex-Präsident warb für Toleranz, gegenseitige Rücksichtnahme und Hilfe für sozial Schwache – gerade in Zeiten, in denen Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus zunähmen.
Sympathien für Obama, Ablehnung für Trump: Kirchentagsbesucher mit Plakaten
Glaube spiele in der US-Politik eine große Rolle, so der ehemalige Präsident. „Es ist aber gut, auch einen Schuss Zweifel im Glauben zu haben.“ Eine wichtige Eigenschaft sei, zu wissen, dass man niemals die ganze Wahrheit für sich beanspruchen könne, sondern immer nur einen Teil der Wahrheit: „Ich sage nie, dass Gott exklusiv durch mich spricht.“
„Wir müssen daran glauben, dass wir Dinge verbessern können, dass wir Menschen mit Güte und Toleranz behandeln können, dass wir Gräben überbrücken können zwischen den Völkern, zwischen den Religionen und dass wir unter einem gütigen Gott leben.“ Barack Obama, zitiert nach der Deutschen Presse-Agentur (dpa)
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, moderierte zusammen mit Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au die Veranstaltung. Die beiden Kirchenvertreter nutzten die Gelegenheit, um eine humanere Flüchtlingspolitik zu fordern.
Kirchenvertreter fordern Bleiberecht für integrierte Flüchtlinge
Bedford-Strohm berichtete von Briefen, die er als Landesbischof erhalte. Darin beklagten sich ehrenamtliche Helfer, dass manche bestens integrierten Flüchtlinge wieder abgeschoben würden. Aus der Au merkte an, die Besucher des Kirchentags seien Menschen, die das Bleiberecht von Flüchtlingen befürworteten.
Bundeskanzlerin Merkel verteidigte ihre Flüchtlingspolitik. Es könnten nicht alle Flüchtlinge in Deutschland bleiben, wenn ihnen das nach geltendem Recht nicht zustehe. „Ich weiß, dass ich mich damit nicht beliebt mache, aber wir müssen denen helfen, die unsere Hilfe brauchen.“ Außerdem sprach Merkel über ihren Glauben. Dieser gebe ihr Demut im politischen Handeln. „Wir sind christlich geprägt, sind jüdisch geprägt, haben viele Muslime bei uns.“ Das bedeute aber nicht, dass Menschen unterschiedlich viel wert seien.
Obama sprang ihr zur Seite: „In den Augen Gottes hat das Kind auf der anderen Seite der Grenze nicht weniger Liebe und Mitleid verdient als mein eigenes Kind.“ Aber andererseits seien Regierungschefs ihren Bürgern gegenüber verantwortlich, außerdem gebe es begrenzte Ressourcen. Regierungen sollten zwar Menschlichkeit ausdrücken sowie Mitgefühl und Solidarität üben an denen, die Hilfe bräuchten. Das müsse aber in einem verfassungskonformen Rechtsrahmen geschehen. (pro)
von: nf