Nicht alles, was geht, ist auch gut

Die Gentechnik feiert immer neue Erfolge. Der Mensch ist drauf und dran, komplette Kontrolle über die Entstehung und Reproduktion des Lebens zu gewinnen. Doch es steht infrage, ob der Mensch alles tun darf und sollte, was er kann. Ein Kommentar von Jonathan Steinert
Von PRO
Embryonen könnten zukünftig auch ohne Beteiligung männlicher und weiblicher Zellen gezüchtet werden

Geklonte Schafe, Designerbabys, Kinder mit drei Eltern – wann immer Gentechniker neue Methoden und Erkenntnisse darüber veröffentlichen, wie sie Erbgut manipulieren oder anderweitig in die Entstehung von Leben eingreifen, löst dies eine Debatte um die Frage aus: Darf der Mensch das? Befürworter heben die Chancen hervor, etwa für Menschen, die Erbkrankheiten haben oder die auf natürliche Weise keine Kinder bekommen können. Kritiker sehen die oft nicht abzuschätzenden Risiken und Nebenwirkungen, rufen nach Grenzen und fürchten deren Überschreitungen.
Neuen Zündstoff für diese Debatte liefern die Ergebnisse, die japanische Wissenschaftler Mitte Oktober im Fachmagazin Nature veröffentlichten: Es war ihnen gelungen, aus Hautzellen von Mäusen Eizellen herzustellen, sie zu befruchten und den Tieren einzupflanzen – die gesunde Mäusebabys zur Welt brachten. Wohlgemerkt nur elf Babys von 316 so gezüchteten Embryonen, eine Erfolgsrate von 3,5 Prozent. Dennoch: Die Studie könnte wegweisend sein. Denn sollte die Methode irgendwann auch beim Menschen funktionieren, hätte dies weitreichende Folgen. Für die Fortpflanzung bräuchte es dann nicht mehr Mann und Frau oder die Zellen von beiden. Auch die natürliche Grenze des gebärfähigen Alters könnte aufgehoben werden. Unfruchtbarkeit oder auch eine homosexuelle Neigung müssten kein Hindernis dafür sein, Kinder zu zeugen.
„Wir stehen kurz davor, komplette Kontrolle über unsere Keimbahn zu erlangen“, kommentierte ein amerikanischer Wissenschaftler die Ergebnisse der Japaner. Die Süddeutsche Zeitung
<p/> nahm dies zum Anlass, Peter Dabrock, den Vorsitzenden des Deutschen Ethikrates, nach den ethischen Implikationen der gentechnischen Möglichkeiten zu fragen. Der evangelische Theologieprofessor Dabrock hielt sich mit Kritik daran zurück. Für ihn sei nicht in erster Linie entscheidend, wie ein Mensch entstehe, sondern ob Menschen bereit und fähig dazu sind, Verantwortung füreinander und für ein Kind zu übernehmen.

Gott als Schöpfer nicht vergessen

Auf die Frage, wie viel Raum seiner Vorstellung nach in der Zeugung noch für Gott bleibe angesichts künstlicher Eizellen, sagte Dabrock: „Meine These ist, dass Gott wenn, dann als Inbegriff der Liebe anwesend ist, wenn zwei Menschen versuchen, bedingungslos zueinander zu stehen und diese Liebe an ein Kind weitergeben wollen. Über die Art und Weise, auf die diese Liebe dann zur Zeugung des Kindes führt, muss man nicht an erster Stelle nachdenken.“ Er wies zudem darauf hin, dass „unter gläubigen Christen bis heute“ die Version verbreitet sei, Gott sei in jedem Zeugungsakt von Mann und Frau anwesend, er werde jedoch im Reagenzglas ausgeschlossen. Dabrocks Auffassung ist dies offenbar nicht. Er selbst wolle nicht moralisch über jene urteilen, die abgewogen und sich für eine Form der künstlichen Zeugung entschieden haben.
Die Frage, ob der Mensch „das“ darf, ist nicht einfach und pauschal zu beantworten. Es gibt viele starke Argumente auf allen Seiten, viel Grau und wenig Schwarz-Weiß. Jeder einzelne Fall sieht anders aus. Aus ethischer und christlicher Perspektive sollte es aber nicht nur nachrangig sein, wie ein Kind entsteht. Die Rolle Gottes dabei als „Inbegriff der Liebe“ zu definieren, ist natürlich nicht falsch, aber es unterschlägt – gerade, wenn es um die Entstehung des Lebens geht – einen ganz wesentlichen Aspekt: Gott als Schöpfer. Gott als derjenige, der Leben überhaupt erst hervorgebracht hat, ohne den es kein Leben gäbe. Es ist müßig, zu diskutieren, ob er nun nur in der körperlichen Zeugung anwesend ist oder auch im Reagenzglas. Entscheidend ist etwas anderes: Gott als Schöpfer und Lebensschenker anzuerkennen, bedeutet, eine höhere Instanz als den Menschen selbst als Herr über die Entstehung des Lebens anzuerkennen.

Macht über das Leben

Dabrock konstatiert: „Ob es einem passt oder nicht, man muss doch erst einmal zur Kenntnis nehmen, wenn Menschen, die nicht so einfach ein Kind bekommen können, dennoch eine solche Verantwortung übernehmen möchten, und zwar mit genetisch eigenen Kindern.“ Dem ließe sich entgegenhalten: Ob es einem passt oder nicht, man muss einmal zur Kenntnis nehmen, dass es gewisse Grenzen gibt, die die Natur uns setzt, und die zu überschreiten dem Menschen möglicherweise nicht gut tun werden.
Kontrolle über die Keimbahn, über die Entstehung von Leben bedeutet Macht. Eine Macht, die größer kaum sein könnte, bezieht sie sich doch auf das Leben in seinem Wesenskern. Ob der Mensch für diese Macht gemacht ist, darf bezweifelt werden. Es übersteigt die menschliche Kompetenz und Verantwortung, in die grundlegenden und ursprünglichen Prozesse werdenden Lebens einzugreifen. Ein Mensch ist von niemandem dazu legitimiert, das Werden eines anderen von vornherein zu programmieren. Dafür ist er selbst zu sehr Geschöpf – und bei aller wohlmeinenden Absicht zu sehr der Versuchung des Missbrauchs dieser Macht ausgesetzt. Die Verwendung der Atomenergie ist ein prominentes Beispiel dafür.
Wo unter dieser Annahme ganz praktische Grenzen zu ziehen sind, das ist zu diskutieren. Aber dass diese Annahme in die Diskussion eingebracht wird, das sollte man von einem christlichen Ethiker erwarten. Und auch wer nicht an einen Schöpfergott glaubt, den könnte der Respekt vor dem Leben lehren, Grenzen zu akzeptieren, die die Natur setzt, – und Leben nicht zum Spielzeug des eigenen Gutdünkens zu machen. (pro)Ethikrat-Vorsitzender: Frage nach der Zeugung ist nicht primär (pro)
Huber: „Kein Eingriff in die menschliche Keimbahn“ (pro)
Theologe: Designerbabys „totalitäre“ Vorstellung (pro)

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