Neues Testament sorgt für Furore in Jerusalem

Die Bibelgesellschaft in Israel hat Abgeordneten des Parlaments in Jerusalem das Neue Testament in ihren Dienstbriefkasten gesendet. Daraufhin beschwerten sich Parlamentarier, dass missionarisches Material nicht in der Knesset verbreitet werden solle. Die Organisation wollte jedoch mit dieser Aktion laut eigenen Aussagen weder missionieren noch jemanden beleidigen, sondern nur aufklären.
Von PRO

In den vergangenen Tagen öffneten einige Knessetabgeordnete ihren Bürobriefkasten und fanden in ihren Händen eine Bibel, bestehend aus dem Alten und Neuen Testament. Zur hebräischen Bibel gehört für gewöhnlich nur der alttestamentarische Teil. Die Bibelgesellschaft in Israel, eine Organisation messianischer Juden, hatte den Parlamentariern jeweils ein Exemplar ihrer neuen Bibel zugesendet. Messianische Juden sehen sich selbst als Juden und glauben an Jesus als den Messias. Es sei das erste Mal, dass es eine Bibel bestehend aus dem Alten und Neuen Testament mit Querverweisen in hebräischer Sprache gibt, erklärt Victor Kalisher, Leiter der Bibelgesellschaft in Israel gegenüber pro. "Als Zeichen des Respekts, zum Lernen und als Geschenk wollten wir den Führenden unseres Landes als Erste unsere Neuerscheinung zukommen lassen." Die Mehrzahl der Parlamentarier sei dankbar gewesen, nur wenige hätten sich "ohne Respekt" zu der Postsendung geäußert.

Negative Kommentare kamen aus unterschiedlichen politischen Lagern. Die Knessetabgeordnete der Likud-Partei von Premierminister Benjamin Netanjahu, Zippi Hozovely, hat laut der israelischen Tageszeitung "Jerusalem Post" einen Brief an den Knesset-Vorsitzenden Reuven Rivlin geschrieben, in dem steht: "Es kann nicht sein, dass missionarisches Material in der Knesset verbreitet wird. (…) Texte, die dazu verwenden wurden, um (Juden) zu verfolgen und zu schikanieren, können nicht durch die Vordertür des israelischen Staates verbreitet werden."

"Ein abscheuliches Buch"

Der Knessetabgeordnete der religiösen Partei "Nationale Union" Michael Ben-Ari riss laut der Zeitung "Ha’aretz" das Neue Testament aus der Bibel und warf es in den Müll. Er bezeichnete es dem Bericht zufolge als "abscheuliches Buch", welches "die Ermordung von Millionen von Juden während der Inquisition brachte".

Der Vorsitzende der christlichen Vertretung in der Knesset, David Rotem, bezeichnete die Sendung laut Zeitungsbericht als "keine missionarische Arbeit", sondern als "einen Akt der Dummheit". Der ordinierte Rabbiner und Knessetabgeordnete der religiösen Schas-Partei, Nissim Ze’ev, hatte selbst keine Bibel-Sendung erhalten, jedoch kommentierte er die Post an seine Kollegen gegenüber der "Jerusalem Post": "Das sind Leute, welche annehmen, dass alle Juden in Israel zum Christentum bekehrt werden müssen. Dafür bekommen sie aus der ganzen Welt Spenden. Wie können wir sie von diesem Gedanken befreien?" Ze’ev forderte die israelische Regierung auf, das Vermitteln von jüdischen Werten mehr zu unterstützen, "damit nicht Christen das Vakuum füllen". Zudem betonte er, das existierende Gesetz gegen Missionierung müsse verstärkt werden. Im Jahr 1977 wurde in Israel das "Anti-Missionierungs-Gesetz" verabschiedet, das es verbietet, jemanden durch materielle Reize zum Religionswechsel zu bewegen.

Mit den Bibeln verschickte die Organisation einen Brief. Darin zeigt sich Kalisher stolz auf die neue Bibelveröffentlichung mit 90.000 Anmerkungen, die in Zusammenarbeit mit Forschern in Israel sowie aus dem Ausland entstanden sei. Gegenüber pro erklärte er: "Mit diesen Anmerkungen kann man die enge Verbindung der Worte in der Thora mit dem Neuen Testament erkennen. Viele der Prophezeiungen in der Thora werden im Neuen Testament wahr."

Einen Koran an die Knesset verschicken?

Arabischen und ultraorthodoxen Knessetmitgliedern sendete die Gesellschaft laut eigenen Angaben keine Bibeln zu. Von pro gefragt, was Kalisher davon halten würde, wenn muslimische Vertreter Korane an die Knesset verschickten würden, sagte er: "Jeder kann tun und lassen, was er will. Wenn ich als Parlamentarier eine solche Sendung erhalten würde, dann würde ich dies einfach zur Kenntnis nehmen. Für die Gläubigen ist es ein heiliges Buch, für mich nicht."

Letztendlich sei "das Neue Testament von Juden für Juden geschrieben", so Kalisher. Die meisten Menschen in der Welt unterstützten Israel aufgrund ihres christlichen Hintergrunds. Das Lesen des Neuen Testaments würde den Knessetmitgliedern helfen, mit diesen Leuten zu kommunizieren.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Bibelgesellschaft in Israel Politikern das Neue Testament zukommen lässt. Im Jahr 1970 überreichte die Organisation laut eigenen Aussagen dem ehemaligen israelischen Premierminister David Ben-Gurion die erste Übersetzung des Neuen Testaments ins Hebräische. Laut Kalisher hat er sich damals darüber gefreut und schätzte das Geschenk.

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