Neue Regierung in Österreich: Religion zwischen Randnotiz und Extremismusdebatte

Österreich hat nun doch eine Regierung ohne die rechte FPÖ, die zwischen „Christliches Abendland“-Rhetorik und Kirchenfeindlichkeit schwankt. Im Regierungsprogramm findet sich Religion vor allem in Kontext von Extremismus.
Von PRO
Führt in Zukunft die österreichische Regierung an: Bundeskanzler Christian Stocker

Es war ein wilder Ritt, der letztendlich dazu geführt hat, dass in Österreich seit Anfang des Monats doch noch eine Regierung ohne die rechtspopulistische FPÖ an der Macht ist. Die Koalition besteht aus der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP), der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) und den liberalen NEOS („Das Neue Österreich“), die die äußerst knappe Parlamentsmehrheit der ehemaligen Großparteien verstärken.

Erinnern wir uns: Bei der österreichischen Nationalratswahl im September erreichte die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) den ersten Platz. Jedoch schloss der damalige Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) aus, mit der unter Herbert Kickl noch weiter an den rechten Rand gerückten FPÖ zu koalieren oder ihr gar das Bundeskanzleramt zu überlassen. Deshalb beauftragte Bundespräsident Alexander van der Bellen bereits im vergangenen Oktober Karl Nehammer als Chef der zweitplatzierten Partei mit der Bildung einer Regierung.

Langer Weg zur Regierungsbildung

Die folgenden Koalitionsgespräche, an denen bereits damals SPÖ und NEOS als potenzielle Koalitionspartner der Konservativen beteiligt waren, zogen sich jedoch in die Länge und scheiterten schließlich Anfang des neuen Jahres nach dem Austritt der liberalen NEOS abrupt. Der bisherige ÖVP-Chef Nehammer trat zurück und überließ seinem bisherigen Parteimanager Christian Stocker als neuem Parteichef das Feld, um einen äußerst schwierigen Auftrag zu erfüllen. Er sollte mit dem freiheitlichen Parteichef Herbert Kickl, der aufgrund seiner radikalen politischen Rhetorik, einer Nähe zu Rechtsextremen und Sympathien für illiberale Akteure wie dem ungarischen Premierminister Viktor Orbán, der den anderen österreichischen Parteien als politischer Gottseibeiuns gilt, eine Regierung zu verhandeln. Und Kickl dabei als Parteichef der stärksten Parlamentsfraktion sogar zum österreichischen Bundeskanzler zu machen.

Der den Grünen nahestehende österreichische Bundespräsident Alexander van der Bellen, der laut österreichischer Bundesverfassung eine innenpolitisch stärkere Rolle einnimmt als sein deutsches Pendant, hätte eine derartige Bundesregierung aus verfassungsrechtlichen Gründen kaum verhindern können und beauftragte daher am 6. Januar Kickl mit der Regierungsbildung. Während sich viele Österreicher bereits auf eine sehr weit rechts stehende und tendenziell illiberale Bundesregierung einstellten, scheiterten am 12. Februar jedoch überraschenderweise die Regierungsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP.

Kickl, der die Koalitionsgespräche bereits mit einer Art Unterwerfungsgeste an die ÖVP begonnen hatte, hatte zu sehr auf der absoluten Macht im Staat bestanden, inklusive Schlüsselministerien wie dem Finanz- und Innenministerium. Die zweite Chance eine Regierung zu bilden, nutzten ÖVP, NEOS und SPÖ. Der bereits fast im Pensionsalter befindliche Rechtsanwalt, Ex-Parteimanager und ehemalige Vizebürgermeister der niederösterreichischen Mittelstadt Wiener Neustadt, Christian Stocker, wurde mit der Angelobung am 3. März durch Van der Bellen neuer österreichischer Bundeskanzler.

FPÖ: „Christliches Abendland“-Rhetorik, jedoch antiklerikale Tendenz

Aus christlicher beziehungsweise kirchlicher Sicht wäre eine Bundesregierung aus FPÖ und ÖVP auch deshalb problematisch gewesen, weil dann möglicherweise die steuerliche Begünstigung des Kirchenbeitrags abgeschafft worden wäre. Jedenfalls hatte die FPÖ eine derartige Maßnahme, die wohl zu einer nochmals deutlichen Steigerung der ohnehin schon zahlreichen Kirchenaustritte in Österreich geführt hätte, laut einem geleakten Verhandlungsprotokoll gegenüber der ÖVP zur Diskussion gestellt.

Dies ist deshalb bemerkenswert, da sich die rechte FPÖ gerne als Verteidigerin des christlichen Abendlands inszeniert. Dazu sagt der evangelische Theologe und Ethiker Ulrich Körtner, der an der Universität Wien lehrt: „Der Anspruch, das wahre Christentum oder das, was die FPÖ darunter versteht, zu vertreten, ist meiner Ansicht nach der relativ durchsichtige Versuch einer politischen Instrumentalisierung.“

Bereits in ihren ideologischen Wurzeln wohne der FPÖ, die sich gerne auf die Märzrevolution von 1848 beruft, eine antiklerikale Tendenz inne. Und auch wenn der aktuelle FPÖ-Chef Kickl in einem katholischen Umfeld aufgewachsen ist, sei bei der FPÖ „in Wirklichkeit keine positive Kirchenbindung erkennbar und zudem das Verhältnis zum Judentum zerrüttet“. Letzteres spielt darauf an, dass die israelitische Kultusgemeinde in Wien – die größte jüdische Gemeinde Österreichs – aufgrund der historischen und zum Teil bis in die Gegenwart reichenden Verbindungen der FPÖ zum Nationalsozialismus keine offiziellen Beziehungen pflegt.

Der Religionsunterricht bleibt doch weitgehend unangetastet

Im Programm der aktuellen Bundesregierung aus ÖVP, SPÖ und NEOS wird der Kirchenbeitrag und dessen steuerliche Begünstigung hingegen nicht angetastet. Auch ansonsten wird am Staatskirchenrecht, also an den institutionalisierten Beziehungen zwischen Kirche und Staat in Österreich, kaum etwas geändert. Abgesehen davon, dass die Schulaufsicht im Religionsunterricht künftig der Staat und nicht mehr die Religionsgemeinschaften durchführen sollen.

Der neue österreichische Bildungsminister, der Liberale Christoph Wiederkehr, forderte in seiner früheren Rolle als Bildungsstadtrat der NEOS in Wien gar die weitgehende Abschaffung des Religionsunterrichts und dessen Ersatz durch ein Unterrichtsfach namens „Leben in einer Demokratie“. Damit hat sich der bekennende Atheist jedoch nicht durchgesetzt, ein neues Schulfach „Demokratiebildung“ kommt nun zusätzlich.

Neben den NEOS ist auch die SPÖ eine mit einigen wenigen Ausnahmen religions- bzw. kirchenferne Partei. Der Theologe Körtner sieht jedoch auch bei der ÖVP, die immerhin das politische Pendant der deutschen CDU darstellt, eine zunehmende Kirchenferne: „Die positive Verbindung zur kirchlichen Soziallehre wird nicht mehr besonders akzentuiert.“ Nicht zuletzt in der Flüchtlingsfrage, in der bedeutende Kirchenvertreter wie der vor kurzem zurückgetretene Wiener Kardinal Christoph Schönborn an der Betonung der Menschenwürde festhielten, kam es in den vergangenen Jahren zu einem deutlichen Bruch mit einer nach rechts gerückten ÖVP.

Kaum positive Bezüge zur Religion im Regierungsprogramm

Insgesamt wird Religion im aktuellen Regierungsprogramm überwiegend in Hinblick auf den Kampf gegen religiösen und dabei vor allem islamistischen Extremismus erwähnt; abgesehen von einzelnen Stellen über den Einsatz für verfolgte Christen und andere religiöse Minderheiten im Ausland, den Schutz des jüdischen Lebens in Österreich und der Förderung des interreligiösen Dialogs. Über islamistischen Extremismus und im schlimmsten Fall Terrorismus wird in Österreich nicht zuletzt nach dem islamistisch motivierten Messerangriff in Villach, bei dem ein Schüler zu Tode kam, vermehrt diskutiert. Das findet freilich auch im aktuellen Regierungsprogramm von ÖVP, SPÖ und NEOS seinen Niederschlag. Dort geht es auch darum, dass islamistische Radikalisierung durch verstärkte Präventionsmaßnahmen stärker bekämpft werden soll.

Dass es in einer Demokratie wie der österreichischen wichtig ist, gegen religiösen Extremismus vorzugehen, will Körtner nicht kleinreden. Insgesamt kritisiert er aber, dass Religion im Regierungsprogramm vor allem negativ erwähnt wird und meint: „Dass Religionsgemeinschaften einen positiven Beitrag zum Gemeinwesen leisten können, wird nicht ausreichend gesehen.“

Eine Analyse von Raffael Reithofer

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