Facebook, YouTube und Twitter haben ein halbes Jahr nach dem Inkrafttreten des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (kurz: NetzDG) Bilanz gezogen. In den ersten sechs Monaten wurden bei YouTube 214.827 Beiträge gemeldet. Bei Facebook waren es 1.704 Beiträge. YouTube entfernte 27 Prozent der gemeldeten Inhalte. Davon wurden 92 Prozent innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Meldung gelöscht. Facebook entfernte nur rund 21 Prozent der gemeldeten Inhalte, berichtet das Portal Heise Online. Beim Kurznachrichtendienst Twitter gingen knapp 265.000 Beschwerden ein. Nur etwa jeder zehnte gemeldete Beitrag wurde dort gelöscht.
„Deutlich wird: Es gibt Beschwerden – und zwar nicht wenige. Strafbarer Hass im Netz ist real, erfahrbar für so viele, die sich vernehmbar für Demokratie und Toleranz einsetzen“, sagte der Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Gerd Billen, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz war am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten. Es soll Hass im Netz eindämmen und setzt bestimmte Fristen zum Löschen bei strafbaren Inhalten, wie zum Beispiel Volksverhetzung. Innerhalb von 24 Stunden sollen die Betreiber der Webseiten die entsprechenden Inhalte löschen. Bei schwierigeren Fällen räumt das Gesetz eine Frist von sieben Tagen ein. Den Seitenbetreibern drohen Geldstrafen in Millionenhöhe, wenn diesen Forderungen wiederholt nicht nachgekommen wird. Weder Facebook noch YouTube musste bisher Bußgelder zahlen.
Facebook verlangt Beschwerdeformular
Wenn die Netzwerke nicht schnell genug oder gar nicht reagieren, können sich die User beim Bundesamt für Justiz beschweren. Obwohl die Portale deutlich weniger Inhalte gelöscht hatten, als gemeldet wurden, seien beim Bundesamt für Justiz im ersten Halbjahr nur 526 Beschwerden eingegangen. Der Gesetzgeber sei ursprünglich von rund 2.500 Beschwerden und 500 Bußgeldverfahren im Jahr ausgegangen, berichtet das Portal Heise Online. Politiker von den Grünen und der FDP halten diese Zahlen jedoch für wenig aussagekräftig. Die geringe Zahl von Beschwerden sei „keineswegs ein Indiz für eine gute gesetzliche Regelung oder ein Abnehmen der Problematik“, sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz dem Handelsblatt. Sie seien eher ein Beleg dafür, dass die Nutzer der Meinung seien, die Bundesbehörde sei als Schlichtungsstelle ungeeignet.
Das Bundesjustizministerium hingegen kritisierte nach Angaben von dpa den „komplizierten Beschwerdeweg“ bei Facebook. Deshalb seien bei dem sozialen Netzwerk deutlich weniger Proteste eingegangen als bei YouTube oder Twitter. Während man bei diesen beiden Portalen direkt in der Meldefunktion des Beitrags angeben könne, dass dieser möglicherweise gegen das NetzDG verstößt, muss man bei Facebook erst ein Formular ausfüllen. Und das sei schwer zu finden.
FDP-Politiker Jimmy Schulz befürchtete, dass es relativ wenig Bescherden gebe, weil zum Beispiel Facebook einen Beitrag eher lösche, als eine Strafe zu riskieren. Schon kurz nach der Einführung des NetzDG hatte es ähnliche Kritik gegeben. Die Gegner berfürchteten, dass das Gesetz Seitenbetreiber zur Zensur verleite – aus Angst vor Bußgeldern.
Dass Facebook teils irrtümlich Inhalte löscht, kam in den vergangenen Monaten häufiger vor. So entfernte das soziale Netzwerk vor kurzem einen Teil der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, den eine Zeitung anlässlich des amerikanischen Unabhängigkeitstages am 4. Juli veröffentlicht hatte. Die Software von Facebook hatte darin Hassrede aufgespürt. Der Beitrag wurde anschließend wieder freigegeben. Im April stoppte das Landgericht Berlin Zensur durch Facebook. Das Netzwerk hatte einen Kommentar von einem Nutzer entfernt, der angeblich gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook verstoße. Das Gericht sah darin einen Verstoß gegen die Meinungsfreiheit.
Von: Swanhild Zacharias