Netflix Deutschland: Der Programmplaner auf dem Sofa

Unser Fernsehverhalten hat sich durch das Internet und mobile Geräte in den vergangenen Jahren verändert. Am Dienstag startet der amerikanische Film- und Serien-Anbieter Netflix auch in Deutschland. Damit ist eine Wende für den TV-Markt auch hierzulande endgültig eingeläutet.
Von PRO
Der Streamingdienst Netflix bringt Fernsehinhalte gegen eine monatliche Gebühr nach Hause. Ab Dienstag auch in Deutschland
In der Musikindustrie konnte man die Veränderung bereits mitverfolgen: Früher kauften sich Kunden CDs in einem Laden, später denn vermehrt über das Internet. Nach und nach setzte sich der Kauf von Audiodateien über das Internet durch. Schließlich sind Streaming-Portale wie Spotify dabei, den Musikgenuss im 21. Jahrhundert erneut zu verändern. Für eine monatliche Gebühr können sich die Nutzer so gut wie alle Musikproduktionen zu Hause oder unterwegs anhören. Das Konzept funktioniert auch beim Fernsehen. In seinem Heimatland USA ist Netflix bereits der Marktführer unter den kostenpflichtigen Streaming-Diensten. Das Unternehmen startete in den 90er Jahren ursprünglich als DVD-Verleih. Doch anstatt die Filme per Post nach Hause zu schicken, streamte es die Inhalte irgendwann direkt über das Internet zum Kunden. Heute hat das Unternehmen 50 Millionen zahlende Kunden in 40 Ländern und ist damit der weltgrößte Anbieter für Video-on-Demand (VoD). Am Dienstag startet der Dienst auch in Deutschland sowie in Österreich, der Schweiz, Frankreich, Belgien und Luxemburg. Der Preis wird in Deutschland voraussichtlich bei 7,99 Euro im Monat liegen. Dafür bekommt der Kunde eine Auswahl an TV-Serien und Filmen zur unbegrenzten Nutzung. Er kann sie auf dem Smart-TV, auf dem Computer, dem Smartphone, dem Tablet oder auf einer Spielkonsole sehen. Das System analysiert, was die Zuschauer sehen und macht daraufhin selbstständig Vorschläge, was sie als Nächstes sehen könnten. Aufgrund dieser Daten wagte Netflix sogar den Versuch, auch den Inhalt einer Fernsehserie vorherzusagen, der bei den Zuschauern besonders gut ankommen könnte. Die Analyse ergab, dass eine Serie aus England, neu aufbereitet vom Regisseur David Fincher und mit dem Schauspieler Kevin Spacey in der Hauptrolle, beim Publikum am besten ankommen müsste und produzierte daraufhin die Serie „House of Cards“. Die Prognose ging auf. Die Webserie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter einen Golden Globe und mehrere Emmys.

Öffentlich-rechtliche Zwangsgebühr ohne Einflussnahme auf das Angebot

Marktforscher rechnen Netflix gute Chancen aus. Drei Viertel der deutschen Internetnutzer schauen laut der aktuellen ARD/ZDF-Onlinestudie gelegentlich Videos im Netz, meistens bei YouTube oder in den Mediatheken der TV-Sender. Aber bereits jetzt nutzen 13 Prozent gelegentlich kostenpflichtige Abo-Dienste, in der wichtigen Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen sind es sogar 26 Prozent. Der Umsatz mit VoD-Angeboten werde sich bis zum Jahr 2019 auf rund 750 Millionen Euro verfünffachen, sagte Klaus Goldhammer vom Berliner Beratungsunternehmen Goldmedia gegenüber der Wochenzeitung Die Zeit. Der deutsche Marktführer für Filmabos ist zurzeit Maxdome der Gruppe ProSiebenSat.1 Media. RTL hat die Plattfom RTL Now ins Leben gerufen, weitere Anbieter sind Watchever des französischen Vivendi-Konzerns sowie Amazons Prime Instant Video. Der Markt hat sofort auf die Ankündigung von Netflix reagiert: Maxdome hat sein Angebot überarbeitet und bringt mehr als 80 neue Serienstaffeln ins Programm. Sky, das mit Snap einen VoD-Dienst betreibt, hat die monatlichen Gebühren kürzlich von zehn auf vier Euro gesenkt. Das volle Angebot von Netflix ist noch nicht bekannt, allerdings teilte Netflix bereits mit, dass so erfolgreiche Serien wie House of Cards im Programm sein werden; ebenso „Orange is the New Black“, in dem es um die Insassen eines Frauengefängnisses geht. Wie der Branchendienst DWDL.de berichtet, wird auch die Serie „Fargo“ mit Billy Bob Thornton und Martin Freeman in den Hauptrollen abrufbar sein, die Horrorserie „Penny Dreadful“ sowie die Serien-Adaption des Kinoerfolges „From Dusk till Dawn“. Auch die Animationsserie „BoJack Horseman“, die in London während der viktorianischen Zeit spielt, wird von Anfang an im Programm sein. Auch Serien-Hits wie „Breaking Bad“ oder der Erwachsenen-Comic Archer werden zum Programmumfang gehören, wie Netflix über Twitter mitteilte. Die Programminhalte werden nicht einfach vom amerikanischen Markt auf andere Länder übertragen, sondern individuell auf den jeweiligen Geschmack des Landes abgestimmt. Die Tageszeitung Die Welt schrieb angesichts des bevorstehenden Netflix-Startes und des sich verändernden Fernsehverhaltens: „Die Preisfrage für Mediaplaner, Werbekunden und Fernsehsender ist: Wie viele Zuschauer wollen sich langfristig noch Uhrzeiten und Werbeblöcke im Zwanzig-Minuten-Rythmus diktieren lassen, wenn parallel auf Netflix & Co. das komplette aktuelle Programm läuft?“ Auch wenn ARD und ZDF ihre Inhalte inzwischen auch in einer Mediathek anbieten, so bleibt der Zuschauer dennoch – trotz einer monatlichen Zwangsgebühr von monatlich 17,98 Euro – größtenteils auf die Ausstrahlungstermine und das eingeschränkte Angebot eines Programmplaners angewiesen. Ein Zustand, der gerade auch durch den Start des Markführers auf dem Gebiet von Video-on-Demand weiter ins Wanken geraten könnte. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/fernsehen/detailansicht/aktuell/der-fernseher-tritt-in-den-hintergrund-89207/
https://www.pro-medienmagazin.de/fernsehen/detailansicht/aktuell/smartphone-und-fernbedienung-89206/
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