Farbenfrohe Saris schmücken zwei indische Mädchen. Eine Tabla und ein Harmonium erklingen und versprühen eine fernöstlichen Geräuschkulisse. Die Mädchen tanzen lächelnd zu indischer Musik, später präsentieren weitere Gäste aus dem asiatischen Land ein kleines Theaterstück in teils schrillen Kostümen. Ein Hauch von Bollywood huscht durch den Monte-Carlo-Saal von ERF Medien in Wetzlar.
Der Anlass bedrückt und erfreut zugleich. Der Journalist und Sänger Christoph Zehendner hat am Dienstagabend in der Tanz- und Theaterkulisse sein neues Buch „Namaste – Du bist gesehen“ präsentiert. Darin finden sich Reportagen von seiner Reise nach Indien.
Zehendner besuchte Slums und Waisenhäusern und lässt in seinem Buch Betroffene zu Wort kommen. Gleichzeitig berichtet er von der Hoffnung, die durch die Botschaft Jesu in die Elendsviertel kommt. Der indische Bischof Singh Komanapalli, den Zehendner besuchte, verbreitet in indischen Elendsvierteln das Evangelium und erreicht Zehntausende Menschen. Im Buch wird Singh „Bischof der Hoffnung“ genannt.
Wie kam es zur Evangelisation in den Slums? Als der älteste Bruder des indischen Pastors Singh während seines Studiums eine praktische Ausbildung in Deutschland macht, kommt dieser mit dem CVJM in Berührung. Ein Ehepaar lädt ihn zur Weihnachtsfeier im Familienkreis ein. Das beeindruckt den Vater des Eingeladenen so sehr, dass er sagt: „So, wie mein Sohn Gastfreundschaft erlebt hat, sollen Kinder hier Gastfreundschaft erleben.“
Anfang der 1970er Jahre nimmt er mehrere Kinder zu sich, schließlich entsteht ein kleines Kinderheim mit dem Namen Nethanja – hebräisch für „Gott hat gegeben“. Später folgen weitere große Kinderheime. Eine dynamische Bewegung entsteht. Die Initiatoren bauen Schulen, Krankenhäuser, bieten Ausbildungen zum Elektriker und zum Kranken- und Pflegepersonal an. Zudem gründen sie eine Kirche. Diese hat heute 1.500 Gemeinden und 120.000 Gottesdienstbesucher.
„Du bist geliebt“
Pastor Singh steigt später in die Arbeit seines Vaters ein und leitet ein Kinderheim und eine Kirche. Er sieht es als seine Aufgabe, das Evangelium und die Hoffnung zu verbreiten. Auch er ist bei der Buchvorstellung dabei, berichtet von seinem Wirken und nimmt Bezug auf den Buchtitel „Namaste – Du bist gesehen“.
„Namaste“ ist die wohl am häufigsten gebrauchte Grußform im indischen Kulturkreis, bei der der Grüßende die Hände in Herznähe aneinander legt und seinen Kopf leicht nach vorne beugt. Es bedeutet wörtlich übersetzt „Verbeugung zu dir“ – im übertragenen Sinne kann es die anerkennenden Worte „Du bist gesehen“ bedeuten. Das habe auch „eine geistliche Bedeutung zwischen mir und Gott“.
Singh erklärt: „Gott sieht uns persönlich. Jesus sieht nicht die Massen – sondern er sieht dich.“ Das werde etwa in der Bergpredigt klar. „Jesus schaut nicht nach der Menge“, sondern er sehe den Einzelnen wie etwa den Aussätzigen. Jesus sagt ihm zu: „Du bist geliebt.“
Mutter Teresa: Es kommt auf die Liebe an
Eine Begegnung mit Mutter Teresa im Jahr 1993 prägte den Bischof tief. Sie sei „so einfach“ gewesen. Um sechs Uhr morgens lief Singh mit einer Gruppe gemeinsam mit Mutter Teresa zu einer Messe. Sie bat ihn zu sich. Der Bischof erzählte ihr vom Kinderheim und der Kirche, in denen er sich engagiere. Sie sagte schließlich zu ihm: „Mein Sohn, es ist nicht wichtig, wie viel du arbeitet, sondern mit wie viel Liebe du es machst.“ Dies Botschaft berührte ihn und ab dem Zeitpunkt sagte er den Kindern im Waisenhaus, sie sollen ihn „Papa“ nennen. „So bin ich Big Daddy geworden“, sagte er und strahlt.
Hilfe und Gottes Wort
Während des Abends berichtet Singh von Menschenschicksalen, die er als Pastor seiner Kirche miterlebte. Da ist die arme Familie, die sich ein Kind wünscht. Als das Baby geboren wird, ist es ein Mädchen mit Behinderung. Sie wurde als „Nichts und Minus“ angesehen. Die Eltern dachten, sie haben gesündigt. Als das Mädchen namens Naga Lakshmi wächst, stellt sich heraus, dass sie operiert werden kann. Nun kann sie laufen und hilft als Lehrerin für behinderte und nicht behinderte Kinder. Ein Foto von ihr ist auf dem Cover von „Namaste – Du bist gesehen“ abgebildet. Die Nethanja-Kirche helfe in den Slum-Gebieten. Dort erhalten Bedürftige auch medizinische Versorgung. „Sie bekommen Hilfe und Gottes Wort“, sagt Bischof Singh.
Der Bischof berichtet zudem von einem jungen Mann, den er im Dschungel kennenlernte. Naidu ist Mitglied in einer Terroristenorganisation und tötete mehrere Menschen. Plötzliche verschlechtert sie seine Gesundheit, er bekommt Kopfschmerzen, die nicht weggehen. Seine Frau besucht eine Nethanja-Kirche und betet zusammen mit anderen Gemeindegliedern für ihn. Naidu beginnt in der Bibel zu lesen, betet um Gesundheit, wird geheilt und kommt zum Glauben. Heute geht er in die Dörfer und predigt von Vergebung.
Zehendner spielt an dem Abend bisher unveröffentlichte, von der Reise inspirierte Lieder, und trägt mehrere Kapitel aus seinem Buch vor, dessen erste Auflage von 10.000 Exemplaren innerhalb eines Monats vergriffen ist. Darin berichtet etwa eine Pastorenfrau aus Orissa, die verfolgt und deren Mann von radikalen Hindus ermordet wurde. In einem anderen Kapitel geht es um eine Frau, die Witwe ist und HIV hat. Auf der Straße hörte sie eine Predigt von Singh zum Psalm „Der Herr ist mein Hirte“. Sie wird in die Gemeinde aufgenommen und kommt zum Glauben. Jetzt sage sie: „Gott macht mich stark.“
Die mehr als 20 Buchkapitel sprechen immer wieder von Verzweiflung der Menschen, aber auch von Hoffnung. Die Lektorin Petra Hahn-Lütjen hatte die Idee zum Buch. „Jeder Mensch zählt“ – das nehme sie mit aus den Geschichten, die sie in Indien erlebt haben. „Das was wir aus Liebe teilen, kann zum Zeugnis der Hoffnung“, fasst sie zusammen. (pro)
Von: mab