Francis S. Collins ist einer der bekanntesten Genetiker unserer Zeit. Und er ist gläubiger Christ. Der Berliner "Tagesspiegel" traf ihn in Berlin am Rand des Weltgesundheitsgipfels und sprach mit ihm über Glaube und Wissenschaft.
Von PRO
Foto: NIH
Collins ist seit 1993 Leiter des Humangenomprojektes, in dem Hunderte von Wissenschaftlern an der vollständigen Entschlüsselung des menschlichen Erbguts arbeiten. Im Juni 2000 präsentierten Collins und der Genetik-Unternehmer Craig Venter im Weißen Haus feierlich eine erste umfassende Version. "Heute lernen wir die Sprache, in der Gott das Leben schuf", sagte US-Präsident Bill Clinton damals. Und Collins bemerkte: "Wir haben einen ersten Blick auf unsere Bauanleitung geworfen, von der vorher nur Gott wusste."
Der 60-jährige Collins ist nicht nur einer der angesehensten Wissenschaftler in Amerika. US-Präsident Barack Obama hat ihn vor einem Jahr zum Direktor des "National Institute of Health" berufen, einer Behörde des Gesundheitsministeriums zur biomedizinischen Forschung. Keine andere Forschungs-Förderorganisation hat mehr Geld, es arbeiten rund 18.000 Angestellte dort. Collins gilt als der "mächtigste Wissenschaftler der Welt", schreibt der "Tagesspiegel".
Collins ist auch bekennender evangelikaler Christ. In seinem Buch "Gott und die Gene – Ein Naturwissenschaftler begründet seinen Glauben" beschreibt Collins seinen Weg vom Atheisten zum Christen. Es war 20 Wochen auf der Bestsellerliste der "New York Times".
Für den Chemiker, Genetiker und Arzt gibt es keinen Widerspruch zwischen seiner Arbeit als Naturwissenschaftler und seinem Christsein. Im Gegenteil: In der Natur finde er die Großartigkeit der Schöpfung Gottes wieder. "Sowohl Wissenschaft als auch Glaube sind Wege der Erkenntnis", sagte Collins vor zwei Jahren in einem Interview mit dem Christlichen Medienmagazin pro. In seinen Zwanzigern sei er noch Atheist gewesen, doch diese Position kam ihm irgendwann als die am schlechtesten rational zu begründende vor. "Eigentlich handelt es sich dabei um eine Art von Fundamentalismus. Der Atheismus ist die Beschwörung einer universellen Verneinung, ein Dogma, das schwierig zu verteidigen ist", so Collins. Die Evolutionstheorie steht für ihn keineswegs im Widerspruch zu einem Glauben an Gott. Der habe den Prozess der Evolution gewählt, um das Leben hervorzubringen, glaubt er. Die DNA, in deren Molekülen die Informationen für ein Lebewesen stehen, sei für ihn "die Sprache Gottes".
Arzt, Genetiker, Rocker
Die Journalisten des "Tagesspiegel" sehen in Collins einen "Mann der Widersprüche". Der Wissenschaftler verteidigt die Evolutionstheorie und kämpft für die Forschung an embryonalen Stammzellen. Der Christ kritisiert den Atheismus und bewundert die "ehrfurchtgebietende Natur der Schöpfung". Collins sei einerseits eine "blasse Erscheinung, Marke Studienrat", andererseits spiele er zusammen mit anderen Wissenschaftlern in der Rockband "The Directors" mit und fahre eine Harley Davidson.
Der Theorie des Harvard-Paläontologen Stephen Jay Gould, dass Religion und Wissenschaft in "nicht überlappenden Lehrgebieten" zu Hause sind, stimmt er nur zum Teil zu. In seiner Kritik an Gould ähnele er den "neuen Atheisten" wie Richard Dawkins und Sam Harris, so der "Tagesspiegel". "Aber Collins steht auf der anderen Seite. Für ihn sind Evolution und Urknall eine Idee Gottes, ebenso wie die in gewisser Weise außerhalb des reinen Naturgeschehens stehenden Phänomene der Moral, des freien Willens und, natürlich, der unsterblichen Seele."
Viele prominente Forscher hätten Obamas Entscheidung, Collins zum Direktor der "National Institute of Health" zu machen, kritisiert, schreibt das Blatt. So etwa der Harvard-Psychologe Steven Pinker, der Collins vorwarf, "antiwissenschaftliche Glaubensvorstellungen" zu fördern. Oder der Biologe Jerry Coyne von der Universität Chicago, der sich fragte, wie sich Collins’ Berufung auf die Forschung mit embryonalen Stammzellen auswirken könnte. Diese Sorge könne jedoch längst entkräftet werden, denn Collins habe sich längst als vehementer Befürworter der öffentlich geförderten Stammzellforschung erwiesen. Collins versichert: "Als NIH-Direktor möchte ich alle Wissenschaftler unterstützen, niemand braucht sich wegen meiner Auffassungen Sorgen zu machen." (pro)
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