Ein Großteil der Migranten in Deutschland sind Muslime. Persönliche Freiheit ist für viele von ihnen ein Fremdwort. Migranten diese Werte beizubringen, ist eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe, damit Integration möglich wird. Das wurde auf dem Flüchtlingskongress in Schwäbisch Gmünd deutlich.
Von PRO
Foto: Jasmin Merdan, Fotolia
Muslime sind meist religiöse Menschen und sprechen gern darüber. Christen sind da als Gesprächspartner gefordert.
Wenn Muslime aus ihrer religiösen und kulturellen Gemeinschaft nach Europa kommen, sei das nicht einfach für sie. Denn der Islam sei ein religiöses, gesellschaftliches und politisches System, das genau vorgebe, was ein Muslim wie tun soll. Das erklärte Yassir Eric, Leiter des Europäischen Instituts für Migration, Integration und Islamthemen in Korntal bei Stuttgart, diese Woche bei einem christlichen Flüchtlingskongress in Schwäbisch Gmünd.
Diese Orientierung fehle ihnen in Europa: „Jetzt kommen die Flüchtlinge in eine Welt, in der sie frei entscheiden können, was sie tun. Das ist für sie eine völlig neue Welt.“ Eric betonte, dass es wichtig sei, Muslime als Menschen und den Islam als System zu unterscheiden. Das System, die Dogmen und Theologie müssten wie jede andere Religion und jeder Glaube kritisch diskutiert werden, auch mit Muslimen – und auch in Deutschland. Ebenso müsse darüber gesprochen werden, was die Terrororganisation Islamischer Staat mit den Dogmen des Islam zu tun habe, sagte Eric.
Die Verfolgung von Christen durch Muslime stütze sich auf den Koran und die Sunnah. „Nicht der muslimische Nachbar, nicht die Asylbewerber und nicht die Flüchtlinge sind das Problem, sondern die historisch unkritische Reflexion über den Koran und die Sunnah“, solange diese Lehren als ewig gültige Wahrheiten dargestellt würden. „Europa hat teilweise schon vor den Islamisten kapituliert. Das macht mir Sorgen“, sagte Eric. Denn Islamisten hätten kein Interesse daran, dass Menschen im Westen Muslime werden, sondern dass der Isam toleriert und der Islam und Koran nicht kritisiert und in Frage gestellt würden. „In solch einer Situation leben wir heute. Es ist den Islamisten gelungen, Europa teilweise zu neutralisieren.“
„Muslime wollen mit religiösen Menschen sprechen“
Die deutsche Gesellschaft – und auch die Christen – müssten den Migranten die europäischen Prinzipien von Freiheit, insbesondere der Religionsfreiheit, beibringen. Alle Migranten, Muslime eingeschlossen, müssten außerdem lernen, dass nur der Staat das Recht habe, Gewalt auszuüben. Das sagte Eric auch im Blick auf die Bedrängung, die Christen in Flüchtlingsheimen von Muslimen erfahren. „Religionsfreiheit soll für jeden Menschen gelten. Das müssen die Migranten vom ersten Tag an lernen. Integration fängt nicht erst an, wenn ihr Asylverfahren abgeschlossen ist oder sie einen deutschen Pass haben.“
Auf dem Weg zur persönlichen Freiheit könnte die Mehrheitsgesellschaft Migranten helfen, sagte Eric: „Wenn wir uns ehrenamtlich engagieren können, sollten wir das tun.“ Wie der gebürtige Sudanese erklärte, stehe im Westen das Individuum im Zentrum der Weltanschauung. Religion sei nur ein Lebensbereich unter vielen und finde meist im privaten Raum statt. In islamisch geprägten Ländern hingegen sei die Religion der Mittelpunkt des Lebens, das Private nehme nur einen kleinen und unbedeutenden Raum ein. „Deshalb ist es einfach, mit Muslimen über den Glauben zu reden, weil der Glaube ihr ganzes Leben umfasst. Sie sind religiöse Menschen, die religiöse Menschen in Deutschland suchen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen“, sagte Eric, der sich in seiner Heimat in der Koranschule radikalisiert hatte, später aber Christ wurde.
„Westen hat im Syrien-Krieg nichts zu suchen“
Christen könnten auch mit Muslimen beten, das sei für diese kein Problem, sondern eher ein Problem für viele Deutsche, da Religion für sie Privatsache sei. Für Muslime nehme zudem die Familie und die islamische Gemeinschaft, die Umma, eine zentrale Rolle im Leben ein. Das schlimmste für einen Muslim sei, die Umma verlassen zu müssen. Christliche Gemeinden sollten daher zeigen, dass auch sie eine Gemeinschaft sind, die „Christliche Umma“.
Die Umma sei wie eine Mutter für Muslime, die es zu verteidigen gelte, wenn sie provoziert oder verletzt werde. Das schreibe ihnen ihr Ehrgefühl vor. Dies nutzten Islamisten, Menschen für den Dschihad zu rekrutieren. Die Konflikte im Nahen und Mittleren Osten – auch der Krieg in Syrien – seien innerislamische Auseinandersetzungen, in denen die westlichen Länder „nichts zu suchen“ hätten. „Die westliche Diplomatie kann sich noch so bemühen, sie werden dennoch nicht in der Lage sein, die Kluft zwischen Sunniten und Schiiten zu überbrücken.“
„Freiheitsrechte sind im Islam Fremdworte“
Der Theologe, Islam- und Politikwissenschaftler Hanna Josua diskutierte in einem Seminar auf dem Flüchtlingskongress die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört. Es sei ein Fakt, dass Muslime in Deutschland leben und dieselben Rechte haben wie alle anderen Bürger. Aber der Islam sei nicht identitätsstiftend für die deutsche Gesellschaft. „Weder in der Reformation noch in der Aufklärung hat der Islam als positiv prägende Bewegung zur Genese des modernen Europa beigetragen“, erklärte der gebürtige Libanese, der in Stuttgart Geschäftsführer der Evangelischen Ausländerseelsorge ist.
Das Gegenteil sei der Fall: „Durch die Aufklärung rückt das Individuum in den Vordergrund.“ Das sei für die Protestanten die Quelle für das Prinzip der Selbstbestimmung und der Lösung von der katholischen Kirche gewesen. Die Aufklärung sei der erste Schritt dafür gewesen, im 19. Jahrhundert Religion und politische Regierung zu trennen. „Dadurch kam die Gewissensfreiheit, Religionsfreiheit, Freiheit zur Selbstbestimmung zustande. Das ist unser Gedankengut. Im Islam sind das Fremdworte.“
Hoffnung auf reformierten Islam
Islamische Gesellschaften kategorisierten ihre Bürger in erster Linie nach Konfession. In Deutschland sei das anders: Jeder sei Staatsbürger, unabhängig von der Religion. Darin sieht Josua eine Chance für eingewanderte und geflüchtete Muslime, „die innerislamische Auseinandersetzung und die religiösen Spannungen mit Nichtmuslimen zu begraben“. An Muslime adressiert sagte er: „Schaut, dass nicht dieselben Verhältnisse, die uns vertrieben haben, auch hier herrschen.“
Dass Muslime zu Deutschland gehören, dürfe nicht dazu führen, dass beispielsweise christliche Flüchtlinge in Massenunterkünften bedrängt würden und ihren Glauben nicht zeigen könnten. Muslime müssten selbst eine Antwort auf die Frage finden, welches Verständnis vom Islam einen konstruktiven islamischen Beitrag für eine multikulturelle und -religiöse Identität in Deutschland leisten könne. Das sei eine große und keine einfache Aufgabe für die Muslime in Deutschland, zumal es keinen gemeinsamen Repräsentanten gebe. Hoffnungsvolle Signale gehen für Josua von den universitären Zentren für Islamische Theologie und den Bemühungen um eine moderne Interpretation des Islam aus.
Der Flüchtlingskongress „Angekommen! – Angenommen? Flüchtlinge unter uns. Chancen und Herausforderungen für Christen“ fand von Sonntag bis Dienstag in Schwäbisch Gmünd statt. Rund 500 Teilnehmer waren bei der dreitägigen Veranstaltung dabei. Getragen wurde der Kongress von verschiedenen christlichen Organisationen und Missionswerken. (pro)
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