Muslime helfen katholischer Kirchengemeinde beim Erhalt ihres Gotteshauses

In Krefeld streiten sich Gemeinde und Kirchenvorstand darüber, ob die Kirche St. Johann Baptist geschlossen bleiben muss. Nun hat ein muslimischer Verein Hilfe zum Erhalt der Kirche und eine Ausweichmöglichkeit für die Gemeinde angeboten.
Von Norbert Schäfer
Kirche St. Johann Baptist Krefeld

In Krefeld wollen Muslime dabei helfen, dass eine katholische Gemeinde ihr Gotteshaus behalten kann. Die „Union der türkischen und islamischen Vereine in Krefeld und Umgebung e. V.“ (UNION), ein Dachverband von Moscheen und muslimischen Vereinen in Krefeld, hat angekündigt, den Erhalt der Kirche St. Johann Baptist sowohl finanziell als auch durch Bereitstellung von Räumlichkeiten zu unterstützen.

Der Vorsitzende des Vereins, Salih Tufan Ünal, hat am Montag gegenüber PRO mitgeteilt, dass in den angeschlossenen Moscheen des Vereins künftig zu den Freitagsgebeten Geld für den Erhalt der Kirche gesammelt werden soll. „Dass wir helfen, ist für uns ein selbstverständliches Zeichen der Solidarität“, erklärte Ünal auf Anfrage von PRO, und weiter: „Wir verstehen uns als Krefelder Bürger und deutsche Muslime.“

Verkauf an privaten Investor geplant

Die Kirchengemeinde St. Johann Baptist war im Zuge von Sparmaßnahmen im Bistum der Kirchengemeinde Maria Frieden zugeschlagen worden. Damit begann ein Streit um den Fortbestand der Kirche. Denn der Kirchenvorstand von Maria Frieden hat nach Informationen aus der Gemeinde seit der Zusammenlegung 2010 kein Geld mehr in die Kirche investiert und will sie an einen privaten Investor verkaufen. Nicht jedoch die Gemeinde von St. Johann Baptist, die seitdem von einem Förderverein beim Kampf um den Erhalt ihres Gotteshauses unterstützt wird. Nun bekommt die Gemeinde zudem Hilfe von der „Union der türkischen und islamischen Vereine und Umgebung“ bei den Bemühungen um den Erhalt ihrer Kirche.

Seit geraumer Zeit herrscht Uneinigkeit über das Ausmaß anstehender Reparaturen zwischen dem Kirchenvorstand einerseits sowie Gemeinde und Förderverein andererseits. Gemeinde und Förderverein, die sich für den Erhalt der Kirche starkmachen, sehen die grundsätzliche Bausubstanz der Kirche nicht bedroht und vertreten die Auffassung, dass das Kirchengebäude mit überschaubaren Mitteln renoviert werden kann.

Der Kirchenvorstand sieht das anders und erkennt in der Bausubstanz eine Gefährdung für die Kirchgänger. Nach Angaben von Pfarrer Frank-Michael Mertens, dem Vorsitzenden des Kirchenvorstandes, hätten bauliche Mängel in den letzten Jahren auch bereits „zu Absperrungen bestimmter Bereiche im Kirchengebäude selbst geführt“. Seinen Angaben zufolge sah das Gremium die Sicherheit von Besuchern des Kirchengebäudes nicht mehr als gesichert an. In einem dem Kirchenvorstand vorliegenden Gutachten sei von Renovierungskosten in Millionenhöhe die Rede. Da vom Bistum keine finanzielle Hilfe zu erwarten sei, sehe der Kirchenvorstand „keine Alternative als die Schließung“.

Kirchenvorstand ließ Türschlösser tauschen

„Der Förderverein hat ein Gutachten in Auftrag gegeben. Dies widerlegt die Baufälligkeit beziehungsweise Sicherheitsgefährdungen“ erklärt Jan Lange, der Vorsitzende des Gemeindeausschusses. Zwei Gutachten von Fachfirmen bestätigten das. Auch ein Gutachten, das der Kirchenvorstand in Auftrag gegeben habe, zeige, dass eine Schließung der Kirche nicht notwendig sei.

Weil über den baulichen Zustand der Kirche keine Einigung erzielt werden konnte, ließ der Kirchenvorstand schließlich zum 1. Juli – unter Hinweis auf Sicherheitsgründe und Gefährdung der Gottesdienstbesucher – die Türschlösser von St. Johann Baptist austauschen und sperrte die Gemeinde aus der Kirche aus. Nach Mertens Worten wurden die „Zutrittsmöglichkeiten verändert“. Schlüssel zur Kirche St. Johann hätten „nur noch ausgewählte Mitglieder des Kirchenvorstandes Maria Frieden“.

Die Aussperrung der Gemeinde ist nach Langes Meinung nicht nur ein Tiefpunkt in der Beziehung zwischen Gemeinde und Kirchenvorstand, sondern widerspricht nach seiner Auffassung auch geltendem Kirchenrecht. Dass Bischof Helmut Dieser den Antrag auf Profanierung der Kirche abgelehnt hat, wertet Lange als Rückendeckung für die Gemeinde und den Erhalt der Kirche. Warum der Bischof den Kirchenvorstand Maria Frieden aber nicht anweist, von den Verkaufsplänen an den privaten Investor Abstand zu nehmen, ist unklar.

„Selbstverständlich wird der Kirchenvorstand akzeptieren, dass der Bischof der Profanierung des Kirchengebäudes St. Johann nicht zugestimmt hat“, erklärte Mertens am Dienstag auf Anfrage, und weiter: „Das schließt jegliche Veräußerung aus.“ Trotzdem bleibe die Verantwortung für das Kirchengebäude beim Kirchenvorstand Maria Frieden. Weil auch ein Versuch, die Kirche an den Förderverein zu übertragen, gescheitert ist, und die Türen der Kirche weiter verschlossen sind, trifft sich die Gemeinde nun in einem Zelt vor dem Gotteshaus.

Mertens erklärt, dass der Kirchenvorstand bereits im März eine andere Kirche „in erreichbarer Nachbarschaft“ in der Kirchengemeinde für die Nutzung von Gottesdiensten durch Pfarrer Joachim Schwarzmüller und der Gottesdienstgemeinde St. Johann angeboten habe. „Dieses Angebot wird aber abgelehnt.“

Freude über Solidarität durch muslimischen Verein

Vergangenen Donnerstag hat Ünal an der Messe teilgenommen und sich für die UNION ein Bild von der Situation der katholischen Kirchengemeinde im Zelt vor der Kirche gemacht. „Es hat teilweise hineingeregnet“, sagt Ünal, der in der Nähe lebt und Solidarität mit „seinen Nachbarn der Kirche“ empfindet. Ünal hat daher angeboten, dass die Gemeinde von St. Johann Baptist in der kalten Jahreszeit in Räume der angeschlossenen Moscheevereine ausweichen kann.

„Die Gemeinde freut sich sehr über diese Unterstützung und Solidarität“, sagt Lange. „Das ist ganz großartig.“ Die Solidarität durch die muslimischen Krefelder zeige auch, welchen Stellenwert St. Johann Baptist und die dort geleistete soziale Arbeit unter der Bürgerschaft der Stadt genieße. Dass die Gemeinde zunächst weiter gezwungen ist, sich in dem Zelt vor der Kirche zu treffen, stimmt Lange traurig. „Das müsste alles nicht sein“, sagt er, und weiter: „Denn neben zu erwartenden Landesmitteln hat ein privater Mäzen dem Förderverein so viel finanzielle Unterstützung wie nötig für den Erhalt der Kirche in Aussicht gestellt.“

Zu den Messen von Pfarrer Schwarzmüller in der Kirche St. Johann Baptist versammeln sich nach Angaben von Lange sonntäglich zwischen 150 und 200 Gläubige. Die Gemeinde biete zudem werktags ein kostenloses Frühstück für bedürftige und obdachlose Menschen in dem Stadtteil an. Sonntags richtet die Gemeinde neben der Messe noch einen Anbetungsgottesdienst speziell für suchtkranke und obdachlose Menschen aus und bietet Unterstützung bei Wohnungssuchen und Ämtergängen an.

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