Mündig glauben, politisch engagieren

Religiöse Menschen sollten sich mit ihren Überzeugungen politisch einbringen. Religionsführer hingegen sollten sich aus der Politik heraushalten, meint der katholische Generalvikar Martin Grichting. Nur so würde der Wahrheitsanspruch von Religionen nicht mit der pluralistischen Demokratie kollidieren.
Von PRO
In einer säkularen Gesellschaft werden religiöse Überzeugungen nicht zu Gesetzen – sonst wäre es ein Gottesstaat

Absolute Wahrheiten in einer pluralistischen Demokratie? Das kann funktionieren, meint der Generalvikar des Bistums Chur, Martin Grichting, in einem Artikel der Tageszeitung Welt vom Donnerstag. Damit Religion und Gesellschaft gedeihlich miteinander bestehen können, fordert der Autor von Angehörigen der Religionsgemeinschaften, dass sie sich als mündige Gläubige und Bürger in der pluralistischen Demokratie aktiv einbringen. Die Religionsoberen sollen sich aus der Politik jedoch heraushalten.

Als Beispiel für ein gelingendes Modell nennt Grichting die Katholische Kirche. Die unterscheide zwischen der „Hierarchie“ der Bischöfe und Priester einerseits und den Gläubigen – den Laien – andererseits. Aufgabe der Geistlichen sei es, für die Glaubenswahrheiten und sittlichen Gebote einzutreten „und diese mit religiöser Autorität zu verkünden“. Diese würden in einer pluralistischen Gesellschaft aber nicht zum Gesetz, schreibt Grichting. Denn das hätte einen Gottesstaat zur Folge. Aufgabe der Laien sei, sich „Gehör zu verschaffen“ mit dem, was ihrem Glauben entspreche.

Die Gläubigen sollen selbstverantwortlich als Bürger und mündige Christen handeln. „Dieses von der katholischen Kirche vertretene Rezept der Arbeitsteilung zwischen ‚religiöser‘ Hierarchie und ‚politischen‘ Laien ist pluralismus- und demokratieverträglich“, schreibt der Theologe. Auf diese Weise müssten Religionsgemeinschaften nicht auf den Wahrheitsanspruch ihrer Lehren zu verzichten, solange die Gläubigen loyal seien „zum Rechtsstaat, zu seinen Gesetzen und zu den Gesetzmäßigkeiten der Entscheidungsfindung in einer pluralistischen Gesellschaft“. Nach Grichtings Einschätzung eigne sich dieses Modell auch für andere Religionen. „Gefragt sind in der pluralistischen Demokratie nicht politisierende Religionsführer, sondern Angehörige von Religionsgemeinschaften, die sich als mündige Gläubige und Bürger einbringen.“

Von: Norbert Schäfer

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