Aus Fairnessgründen die Einschränkungen für alle Bürger aufrecht zu erhalten, bis alle geimpft sind, hält der katholische Moraltheologe Franz-Josef Bormann für falsch. „Das wäre der Missbrauch des Solidaritätsargumentes“, sagte er im Interview von tagesschau.de. Einfach zu sagen „jeder muss mit jedem solidarisch sein“, sei nicht der richtige Weg. Für Solidarität brauche es immer Sachgründe.
Bormann vertritt eine „doppelte Differenzierung“. Solange der Impfstoff noch knapp sei, müsse man weiter nach Grad der Gefährdung priorisieren. Umgekehrt müssten die Menschen wieder von ihren Bürgerrechten Gebrauch machen dürfen, „wenn der Sachgrund für die Priorisierung irgendwann entfällt“. Etwas anderes sei auch mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
Bormann kritisierte außerdem die Bürokratie, die mit dem Impfen derzeit einhergeht. „Viele administrative Details der gegenwärtigen Impfpraxis sind schlecht organisiert“, sagte er. Bei der Umsetzung der Priorisierung gebe es viele bürokratische Probleme, obwohl die Priorisierung an sich gut sei. Der Theologe wünscht sich eine bessere „Impflogistik“ und findet es zum Beispiel gut, dass liegengebliebener Impfstoff auch an Menschen verimpft wird, die eigentlich noch nicht an der Reihe wären.
Sich mit anderen mitfreuen
Eine bewusste Täuschung, um selbst schneller an die Impfung zu kommen, sei aber falsch. Bormann räumte ein, dass es aber nur wenige Fälle von Missbrauch gebe. „Die große Mehrheit der Menschen ist nach wie vor nicht geimpft“, stellte er klar.
Beim Thema Impfneid empfahl er, darüber nachzudenken, was es einem selbst bringe, wenn andere Freiheiten zurückbekämen, die man selbst noch nicht wieder habe. „Das beeinträchtigt mich ja nicht.“ Stattdessen solle man denken: „Ich warte auf meinen Impftermin und freue mich mit denen, die schon geimpft sind und so die Impfkampagne vorangetrieben haben.“
Als „unseriös“ empfindet Bormann den Wettstreit unter Politikern, welches Bundesland seine Bürger am schnellsten impfen könne. Das sei „populistische Politik“. Der Moraltheologe verwies darauf, dass es noch eine ganze Weile dauern werde, bis jeder, der möchte, geimpft werden kann – auch wenn die Priorisierung aufgehoben werde. Denn die Gruppe der Impfwilligen sei sehr groß. Man müsse den Menschen dann sagen, „dass sie noch eine Weile Geduld haben müssen. Und jeder Politiker, der sich hinstellt und das Gegenteil behauptet, trägt dazu bei, dass das Unbehagen und die Ungeduld in der Bevölkerung noch weiter anwachsen.“
Politik soll besser kommunizieren
Wenn der Impfstoff für alle freigegeben werde, komme es sicher in gewisser Weise zu einem Ansturm auf Impftermine. Man dürfe die Gefahr, dass es dann womöglich um das Recht des Stärkeren gehe, aber nicht überdramatisieren, sagte Bormann. Zum einen müsse es auch dann weiterhin eine Strukturierung des Impfens geben. Zum anderen empfahl er jedem Einzelnen, darüber nachzudenken, ob man sich am „Run“ auf die Impfungen beteilige oder ob man erst einmal anderen den Vortritt lasse. Er denke da zum Beispiel an „Schüler oder andere besonders belastete Berufsgruppen, die viel dringender den Impfschutz benötigen, um etwa ihrem Beruf wieder ausüben zu können“.
Grundsätzlich sei es jetzt auch Aufgabe der Politik, zu kommunizieren, wie die Bürger sich verhalten sollten. „Die bisherige Kommunikationsstrategie der Politik könnte hier sicher noch verbessert werden.“
4 Antworten
Was in der Debatte immer nicht erwähnt wird sind die Gesunden, die auf ihr Imunsystem vertrauen und keine Impfung wollen. Die „verlieren“ jetzt anscheindend ihre GRUNDRECHTE für immer. Was sagt der Moraltheologe eigentlich dazu?
„Grundsätzlich sei es jetzt auch Aufgabe der Politik, zu kommunizieren, wie die Bürger sich verhalten sollten.“
Wahnsinn, so eine Aussage kannte ich bisher nur aus meiner 14jährigen DDR-Erfahrung. Aber alles kommt ja wieder, sagt schon der Volksmund.
Herr Bormann weiß offenbar nicht, daß es noch keinen Impfstoff für Minderjährige gibt, eine Zulassung auch nicht unmittelbar bevorsteht. Bis soweit ist, dürften wohl alle impfwilligen Erwachsenen geimpft sein.
Um einen Vergleich mit der Impfung herzustellen: Sie demontieren die bei der Herstellung des Autos mitgelieferten Sicherheitsgurten (natürliches Immunsystem) durch die Impfung ab, siehe verlinkte Studie. Während Sie nun während Sie zu Fuss unterwegs sind einen herbeigeimpften Sicherheitsgurt tragen, haben Sie diesen aber beim Autofahren an, ohne dass er an der Karrosserie festgemacht wäre. Das kommt der Realität viel näher als man denkt. Zitat aus der Studie: „Nach der Impfung reagierten die Zellen des angeborenen Immunsystems weniger auf Toll-like-Rezeptor 4 (TLR4), TLR7 und TLR8 – alles Liganden, die eine wichtige Rolle bei der Immunantwort auf eine Virusinfektion spielen“ https://www.news-medical.net/news/20210510/Research-suggests-Pfizer-BioNTech-COVID-19-vaccine-reprograms-innate-immune-responses.aspx