Mohammed-Video sorgt weiter für Tumulte

Die islamische Welt bleibt wegen des islamfeindlichen Mohammed-Videos in Aufruhr. Al-Kaida-Gruppen rufen zur Ermordung von Amerikanern und allen Menschen auf, die an dem Film mitgearbeitet haben. In Deutschland streiten sich Politiker und Rechtsexperten darüber, ob die öffentliche Aufführung rechtens ist.
Von PRO

Bei einem Anschlag sind am Dienstag in Kabul elf Menschen gestorben, berichtet die Deutsche Presseagentur (dpa). Ein Selbstmordattentäter, möglicherweise eine Frau, hatte ein mit Sprengstoff beladenes Auto neben einem Minibus in die Luft gesprengt. In dem Fahrzeug starben neun Ausländer – hauptsächlich Südafrikaner – und ein Afghane. Die radikalislamische Hesb-i-Islami (HIG) des früheren afghanischen Premierministers Gulbuddin Hekmatjar übernahm die Verantwortung für den Anschlag. Ein Sprecher erklärte, es habe sich um einen Vergeltungsanschlag für das Schmähvideo aus den USA gehandelt. Die Attentäterin sei eine 20 Jahre alte Frau aus Kabul. Die Polizei konnte dies nicht bestätigen.

In Indonesien demonstrierten am Dienstag rund 200 Menschen vor dem US-Konsulat in Medan auf Sumatra und verlangten rechtliche Schritte gegen die Filmemacher. In Makassar auf Sulawesi verbrannten Studenten US-Fahnen. In Thailand demonstrierten Hunderte vor der US-Botschaft. Auch im indischen Teil Kaschmirs protestierten Tausende Muslime. Vereinzelt gingen US-Flaggen und Puppen mit dem Konterfei von Präsident Barack Obama in Flammen auf. Die Terrorgruppe Al-Kaida im Islamischen Maghreb rief dazu auf, die Produzenten des umstrittenen Films zu töten.

Wie die Deutsche Presse-Agentur dpa aus Sicherheitskreisen erfuhr, sollen in den kommenden Wochen zusätzliche Bundespolizisten an die deutschen Botschaften in Libyen, Ägypten, Tunesien und im Sudan entsandt werden. Am vergangenen Freitag war die deutsche Botschaft im Sudan schwer beschädigt worden.

Streit um Aufführungsverbot

Die Internetplattform YouTube hatte sich bisher geweigert, die Filmausschnitte zu entfernen. Die Regierungen in Pakistan und Bangladesch sperrten derweil den Zugang. Die russische Regierung drohte mit einer Blockade von YouTube, sollte dort der Betreiber den Film nicht sperren. Der Film beleidige religiöse Gefühle, sagte Informationsminister Nikolai Nikiforow.

In Deutschland wird indes weiter über eine Aufführungsverbot gestritten. Muslimverbände sind in der Frage uneins: Der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland und der Zentralrat der Muslime sind für ein Verbot, der Liberal-Islamische Bund lehnt es ab. Der Deutsche Kulturrat rief die Medien zum verantwortungsvollen Umgang mit dem Video auf. "In Zeiten des weltweiten Netzes sind Verbote letztlich unwirksam", sagte Geschäftsführer Olaf Zimmermann. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte zu einem Verbot: "Ich kann mir vorstellen, dass es dafür gute Gründe gibt."

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) forderte deutlicher ein Verbot. "Wenn Propagandisten dieses Schmähvideo öffentlich zeigen, riskieren wir in Deutschland eine ernsthafte Konfrontation", warnte Aigner im "Hamburger Abendblatt". Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) rief zur Mäßigung auf. "Wir dürfen Islamisten, aber auch Rechtsextremisten nicht auf den Leim gehen. Die einen wollen bewusst provozieren, die anderen wollen sich provozieren lassen", sagte er dem TV-Sender "Phoenix". Ein Verbot des Videos forderte Schünemann nicht; es wäre falsch, die Meinungsfreiheit einzuschränken.

Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt wandte sich ebenfalls gegen ein Aufführungsverbot. "Das Video ist es nicht wert, dass wir das Recht auf freie Meinungsäußerung kaputtmachen", sagte sie der "Thüringer Allgemeinen".

"Pro Deutschland" will Schmähvideo zeigen

Das Video erzählt in amateurhafter Weise das Wirken Mohammeds nach. Für weltweite Proteste sorgte allein der 14-minütige Trailer zum Film. Mohammed wird als blutiger Krieger, Frauenheld und Kinderschänder dargestellt. Die rechtspopulistische Partei "Pro Deutschland" will das in den USA produzierte Video im November in Berlin in voller Länge vorführen. Am Montag stellte es den Film auf seine Webseite. Nur wenig später war der Film aber schon wieder entfernt. Die Partei gab zu, dass es sich nur um eine "Zwischenfassung" gehandelt habe.

Das Bundesinnenministerium sieht eine rechtliche Möglichkeit, die öffentliche Vorführung des islamfeindlichen Videos zu untersagen. Der Filmtrailer beinhalte mehrere klare Beleidigungen und Schmähungen des islamischen Glaubens, sagte ein Ministeriumssprecher gegenüber dpa. Die vergangenen Tage hätten deutlich gezeigt, dass diese Beschimpfungen geeignet seien, den öffentlichen Frieden empfindlich zu stören. Für ein Verbot wäre das jeweilige Bundesland zuständig, in dem der Film gezeigt werden soll.

Beleidigung oder Kunstwerk?

Der Karlsruher Verfassungsrechtler Christian Kirchberg hält ein Aufführungsverbot des Videos in Deutschland für legitim und vom Grundgesetz gedeckt. Im Interview mit den "Stuttgarter Nachrichten" sagte Kirchberg: "Eine Entscheidung muss auch von den Konsequenzen für den öffentlichen Frieden bei uns und den Auswirkungen in der muslimischen Welt beeinflusst werden, die sich aus der öffentlichen Aufführung ergeben. Auf der Grundlage einer entsprechend untermauerten Gefahrenprognose würde ich es für verfassungsrechtlich vertretbar halten, die öffentliche Aufführung zu verbieten."

Andererseits könne man laut Kirchberg den Film als Kunstwerk betrachten. Dann greife Artikel 5, Absatz 3 des Grundgesetzes, welcher den uneingeschränkten Schutz der Kunstfreiheit garantiere. Zu klären sei die Frage: "Ist der Film eine Beschimpfung und Verächtlichmachung in einem so schweren Fall, dass der muslimische Glaube in den Schmutz gezogen wird?"

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat derweil mehr Respekt vor den Gefühlen Gläubiger gefordert. "Ich finde, man sollte wirklich mal darüber nachdenken, ob man Menschen, die ja aus ihrem Glauben auch Kraft schöpfen, wirklich so beleidigen muss", sagte er am Mittwoch im Fernsehsender N24. Das betreffe nicht nur Muslime: "Was wir als Christen uns gefallen lassen mussten in den vergangenen Jahren unter dem Label Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit, das ist auch schon sehr weitgehend." (dpa/pro)

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