Mobbing und Schikane: Japan plant Handy-Verbot an Schulen

Die japanische Regierung plant ein Verbot von Mobiltelefonen an allen Schulen des Landes. Grund sind die zunehmenden Mobbingfälle oder Schikanen gegen Lehrer, die per Handyfilmen verbreitet werden. Selbst zur Prostitution haben sich einige Schülerinnen mittels Handy bereits angeboten. Doch ob ein Verbot das Problem lösen kann, ist fraglich.
Von PRO

Ein Fall hat besonders tiefe Spuren hinterlassen: Vier 18-jährige Oberschüler erpressten in der Stadt Kobe via Handy einen Mitschüler und forderten ihn auf, ihnen mehrere hundert Euro zu bezahlen. Anschließend stellten sie ein Nacktfoto von ihm ins Internet, inklusive E-Mail-Adresse und seinem Namen. Als er daraufhin weitere SMS von Schülern bekam, die sich über ihn lustig machten, wusste er keinen Ausweg mehr und nahm sich mit einem Sprung vom Schuldach das Leben.

Dieser Fall ist nur einer von vielen, in denen japanische Schüler ihre Mobiltelefone missbrauchen, um sich und anderen das Leben schwer zu machen: Erpressung von Mitschülern, Schikanen gegen Lehrer, Prostitution und das Verbreiten von Anleitungen zum Selbstmord sind weitere. Jetzt will der Staat eingreifen – und plant, Mobiltelefone an Schulen grundsätzlich zu verbieten, wie etwa die „Netzeitung“ berichtet. Das japanische Erziehungsministerium will demnach bis Ende Januar alle Schulbehörden anweisen, Mobiltelefone aus den Schulräumen und vom Schulgelände zu verbannen. „Es gibt keinen Zweifel, dass Mobiltelefone einen Aspekt haben, der zum Verlust von Menschlichkeit führen könnte“, hatte Japans Kommunikationsminister Kunio Hatoyama bereits vor einiger Zeit verlauten lassen. Er unterstützt das geplante Verbot.

„Ich kann es ihm doch nicht einfach mit Gewalt wegnehmen“

Andere sehen das kritischer. Gegenüber der Zeitung „Asahi Shimbun“ sagte eine Lehrerin aus Osaka: „Auch wenn ich sicher bin, dass ein Kind ein Handy dabei hat, kann ich es ihm doch nicht einfach mit Gewalt wegnehmen. Dann würde mir vorgeworfen, ich würde körperliche Strafen einsetzen“, zweifelt sie an der Umsetzbarkeit des Verbotes.

Japan ist anderen Ländern bei der Nutzung von Handys um circa drei Jahre voraus. Während Mobiltelefone hierzulande hauptsächlich zum Telefonieren und SMS-Schreiben genutzt werden, verfügen Handys in Japan über Internetzugang, werden zum Bezahlen genutzt oder bieten mobiles Fernsehen.

Handynutzung unter japanischen Jugendlichen sehr verbreitet

Attraktiv ist das Mobiltelefon besonders für Kinder und Jugendliche: Laut einer Umfrage des Verwaltungsbezirks Tokio unter 11.000 Schülern besitzen 33,2 Prozent der Zehnjährigen ein eigenes Mobiltelefon. Bei den 15-Jährigen sind es bereits 73,3 Prozent und bei den 16-Jährigen 95,4 Prozent. Entsprechend groß sind die Zeiträume, die Kinder mit den Handys verbringen: Jeder dritte 16-Jährige, so eine andere Studie des Verwaltungsbezirks Osaka, nutzt sein Handy mehr als drei Stunden am Tag. Zudem verschickt jeder sechste mehr als 50 SMS pro Tag.

Auch wegen der großen Verbreitung der Mobiltelefone scheint ein Erfolg des Verbots fraglich, wie etwa Professor Shigeki Ito von der Universität Komazawa laut „Netzeitung“ meint: „Schließlich benutzen die Kinder ihre Handys nach dem Unterricht sowieso weiter.“ Andere stimmen ihm zu. Tokios Gouverneur Shintaro Ishihara verwies etwa auf die Zuständigkeit der Eltern, wie die Nachrichtenagentur Kyodo mitteilte.

Gewalt auf dem Handy auch ein deutsches Problem

Auch auf deutschen Schulhöfen stellt die Verbreitung von Gewaltvideos oder Pornografie mittels Handy ein immer größeres Problem dar, wie die JIM-Studie (Jugendliche, Information, Multi-Media, pro berichtete) von 2006 zeigt. Aus diesen Gründen denken Politiker und Pädagogikexperten seit Jahren über ein Handyverbot in deutschen Schulen nach. 2006 hatte Bayern den Anfang gemacht und Handys sowie weitere technische Geräte auf dem Schulgelände verboten. In anderen Bundesländern ist es den Schulen freigestellt, wie sie die Handynutzung regeln. „Die Möglichkeit, Gewalt- und Pornodarstellungen per Mobiltelefon zu übermitteln, stiegen von Monat zu Monat“, begründete der bayrische Kultusminister Siegfried Schneider (CSU) damals das Verbot.

Die Anzahl der Kinder und Jugendlichen, die Mobiltelefone nutzen, ist in Deutschland ähnlich groß wie in Japan. Im Juni vergangenen Jahres hatte das Magazin „Focus“ eine Statistik veröffentlicht, nach der 2008 bereits 96 Prozent der deutschen 14- und 15-Jährigen Mobiltelefone gebrauchen. Und schon im Alter von acht und neun Jahren benutzt demnach mehr als jedes dritte Kind (38 Prozent) ein Handy. „In Deutschland werden auch die Jüngeren in den kommenden Jahren zunehmend eigene Handys besitzen“, prognostiziert Ingo Barlovic, Marktforscher bei „Iconkids & Youth“, im „Focus“. (PRO)

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