Mehrere Hundert Menschen haben am Sonntagnachmittag vor der Festhalle in Frankfurt am Main gegen das Konzert von Roger Waters protestiert. Der ehemalige Sänger der Band „Pink Floyd“ trat am Abend dort auf. Zuvor hatte er bei Auftritten in München und Berlin Nazisymbole und antisemitische Elemente in seine Bühnenshow eingebaut.
Die Organisatoren wiesen auf die unrühmliche Geschichte des Ortes während der Nazizeit hin: In Folge der Reichspogromnacht wurden vom 10. bis 13. November 1938 mehr als 3.000 jüdische Männer festgenommen und in der Festhalle zusammengetrieben.
Dort gab es erste Tote, wie Dieter Wesp vom Vorstand des „Fördervereins Fritz Bauer Institut“ ausführte. Eine Tafel auf dem Platz erinnert an die Aktion von SA und SS. Vom Frankfurter Südbahnhof aus gingen acht Transporte ins Konzentrationslager Buchenwald und ein weiterer nach Dachau ab. Viele der Deportierten überlebten die Scho’ah nicht.
Zu dem Protest hatte die Jüdische Gemeinde aufgerufen. Organisationen, Parteien und auch Kirchen schlossen sich dem Bündnis „Frankfurt vereint gegen Antisemitismus“ an. Gemeinsam wollten sie „ein Zeichen setzen gegen Antisemitismus, Israel-Hass, Verschwörungstheorien und Geschichtsvergessenheit“. Denn Waters relativiere durch seine Aktionen und Bühnenshows in den Konzerten das Leid der Opfer.
„Deckmantel der künstlerischen Freiheit“
Der erste Teil der Kundgebung war dem Gedenken an die Opfer gewidmet. Und so verlasen Jugendliche die Namen der aus der Festhalle Deportierten, die bekannt sind.
Rabbiner Chaim-Julian Soussan gestaltete gemeinsam mit Vertretern der katholischen und der evangelischen Kirche den religiösen Teil des Gedenkens. Sie trugen Verse aus den Psalmen 103 und 9 vor. „Denn Psalmen verbinden uns im Glauben“, sagte der Rabbiner. Er dankte den kirchlichen Vertretern dafür, dass sie sich am Pfingstsonntag die Zeit für das Gedenken genommen hatten.
Auch der evangelische Prodekan Holger Kamlah betonte die Verbindung zwischen Juden und Christen durch den Psalter. Es handele sich um „Texte, aus denen wir Hoffnung schöpfen“. Den Sänger Waters brandmarkte er als „Musiker, der unter dem Deckmantel künstlerischer Freiheit antisemitische Stereotype verbreitet“. Er bekundete die Hoffnung, dass Gottes Gerechtigkeit in der Welt wirklich werde. Das Vertrauen, „dass Gott zu seinem Volk steht“, gebe dem Verfasser von Psalm 9 Kraft.
Der katholische Stadtdekan Johannes zu Eltz wies darauf hin, dass das menschliche Sprechen immer Antwort sei. Das habe mit Verantwortung zu tun. Derjenige, der durch sein Wort die Welt erschuf, warte auf unsere Antwort. „Deshalb stehen wir hier an der Seite der jüdischen Gemeinde.“
Im zweiten Teil der Kundgebung ging es um den Protest gegen Waters‘ Auftritt in Frankfurt, und noch dazu an diesem geschichtsträchtigen Ort. Während immer mehr Fans hinter den Demonstranten zum Eingang der Festhalle strömten, sprach sich der Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Salomon Korn, auf der Bühne ausdrücklich für Meinungs- und Kunstfreiheit aus. Aber: „Antisemitismus ist keine Meinung. Antisemitismus ist keine Kunst.“
Korn hatte einen Gruß von Polly Samson mitgebracht. Ihr Ehemann David Gilmour war ebenfalls Mitglied von „Pink Floyd“, sie selbst schrieb Liedtexte. Die beiden bekundeten ihre Missbilligung gegenüber den antisemitischen Aktionen des ehemaligen Bandkollegen – und waren nach eigenen Angaben in Gedanken bei der Kundgebung. Korn forderte einen Widmungszweck der Festhalle – damit sich ein solcher Auftritt nicht wiederholen könne. Er sei deshalb bereits im Gespräch mit der Stadt Frankfurt.
Mit Israel-Flagge auf der Bühne
Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) zitierte Korn, der im Vorfeld seines 80. Geburtstags am 6. Juni in einem Interview gesagt hatte: „Frankfurt ist die beste Stadt für Juden.“ Das Stadtoberhaupt versprach: „Frankfurt wird die beste Stadt für Juden bleiben.“ Ein solches Konzert in der Festhalle „darf sich definitiv nicht wiederholen“. Es gebe keinen „Antisemitismus light“. Er sprach von einer „Frage der Würde und der Selbstachtung unserer Stadt“.
Nach Protesten gegen das geplante Konzert hatten sowohl die Stadt als auch das Land Hessen als Gesellschafter von Messe und Festhalle die Veranstaltung untersagt. Doch das Frankfurter Verwaltungsgericht hob dieses Verbot nach Klage von Waters auf.
Der Hessische Landesbeauftragte für Jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Uwe Becker (CDU), sagte, es sei „ein schlimmer Tag für unser Land“. Fast 85 Jahre nach den Deportationen aus der Festhalle gebe es „immer noch Menschen, die diese Ereignisse verharmlosen“.
Er fügte hinzu: „Roger Waters ist das hässliche Gesicht des israelbezogenen Antisemitismus.“ Dass die Proteste von der Jüdischen Gemeinde initiiert wurden, also von den Betroffenen selbst, bedauerte Becker. Die Anregung „müsste von allen anderen kommen“.
Für das Initiativbündnis „Frankfurt Vereint Gegen Antisemitismus“ trat Simone Hofmann auf die Bühne. Sie wies darauf hin, dass die polnische Stadt Krakau Waters ausgeladen habe – und er habe nicht dagegen geklagt. Frankfurt und das Land Hessen hätten leider nicht alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft, um das Konzert zu verhindern.
Die Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Frankfurt, Lena Reker, kritisierte, dass Waters zum Boykott jüdischer Künstler aus Israel aufrufe. Dies widerspreche den Prinzipien der Kunstfreiheit. Der Sänger fordere seine Zuhörer auf, nicht nur die Musik, sondern auch seine politische Agenda gutzuheißen.
Im Konzertsaal fanden sich auch Demonstranten mit israelischen Flaggen ein. Einige wurden vom Sicherheitspersonal nach wenigen Minuten aus der Halle entfernt. Einem Aktivisten gelang es, mit einer Flagge die Bühne zu betreten. Im Publikum wurden weitere Flaggen des jüdischen Staates geschwenkt. Die Demonstranten riefen: „Am Israel Chai“ – „Das Volk Israel lebt“.