Kesmens Glaubensbekenntnisse sind auf vielen seiner Kleidungsstücke zu lesen. Dort stehen Sprüche wie "I love my Prophet" oder aber religiöse Vorschriften. Einen Schritt zu weit gegangen ist er mit dem Motiv "Jesus was a Muslim". Dieses hatte er aufgrund von Drohanrufen aus seinem Sortiment genommen. 2005 hat er begonnen, seine Idee umzusetzen und einen Internet-Shop gegründet, in dem "Fan-Artikel" des Islam verkauft werden. Auslöser war eine für ihn "beeindruckende" Pilgerfahrt nach Mekka.
Heute gibt es zwischen 40 und 50 Produkte vom Schlüsselanhänger über den Strampler mit dem Aufdruck "Mini-Muslim" bis hin zu Mützen und Taschen. Das Sortiment wird ständig erweitert. Im nächsten Jahr will er neben dem Online-Shop sein erstes Geschäft in Nordrhein-Westfalen eröffnen. Abnehmer für seine „Islamic Streetart", findet er in ganz Europa. Die Einnahmen des Online-Shops haben sich seit der Gründung verzehnfacht, erklärt Kesmen, der keine genaueren Zahlen nennen will.
"Verbündete gegen Fundamentalismus und Terror"
"Es ist nicht unsere Absicht zu provozieren", sagt Kesmen in Bezug auf seine Firma. Manchmal fühle er sich aufgrund der vergifteten Atmosphäre zwischen den Religionen "wie im falschen Film". Er gibt zu: "Wenn ich Muslime nur aus den Medien kennen würde, dann hätte ich auch meine Zweifel. Denn ständig werde nur über bärtige, wütende und beleidigte Islamisten berichtet, die ihre Frauen misshandeln." Konstruktive und berechtigte Kritik werde von einigen Muslimen sofort als Hetze angesehen. "Kritisches Denken muss sich bei uns noch stärker etablieren."
Kesmen und seine Frau Yeliz sind Kinder türkischer Einwanderer. Dass er Freidenker ist und trotzdem nach konservativen Werten lebt, sorgt bei einigen Muslimen für Irritationen. Er jedenfalls kann es für sich gut vereinbaren Jazzkonzerte zu besuchen und in die Moschee zu gehen. Die Islamwissenschaftlerin Julia Gerlach bezeichnet diese Entwicklung, laut "Zeit.de" als Pop-Islam. Dahinter verbergen sich religiöse Menschen, die Symbole aus der Popkultur verwenden. Die Wissenschaftlerin sieht in der keineswegs einheitlichen Bewegung vor allem "Verbündete gegen Fundamentalismus und Terror". Es stelle nach dem 11. September in der Jugendkultur keinen Widerspruch mehr dar, frommer Gläubiger und guter Bundesbürger zu sein.
Ein Indiz für das vermehrte gesellschaftliche Engagement sei auch die steigende Zahl der muslimischen Blogger. Die 21-jährige Deutschtürkin Kübra Yücel hat den Blog "Fremdwörterbuch" begonnen, um Vorurteile gegen Kopftuchträgerinnen abzubauen und Einblicke in das Leben eines muslimischen Mädchens in Deutschland zu geben. Neben Kesmens Online-Portal sei ebenso das soziale Netzwerk myumma.de sowie das Forum muslimaktiv.de als repräsentativ für diese Entwicklung zu nennen, ergänzt der Islamwissenschaftler Jochen Müller vom Internetportal ufuq.de.
Auch die Seite "Muslimlife.eu", eine Singlebörse, ist gut frequentiert. Neben den üblichen Angaben zu Lieblingsreisezielen und Hobbys, sind auch Sparten wie "Mein Fasten" oder "Liest du Koran?" zu finden. Cüneyit Tirgil betreibt das Portal gemeinsam mit einem Freund aus einem Büro am Rand des Ruhrgebiets. Der Designer, der die Seite für ihn gestaltete, ist Kesmen von "Styleislam".
Etwa 60 Prozent der Jugendlichen leben ihre Religion
Islamwissenschaftler Nordbruch, der mit seinem Verein ufuq.de Jugendkultur untersucht, schätzt, dass heute etwa sechzig Prozent der muslimischen Jugendlichen in Deutschland ihre Religion leben. "Und während sich rund die Hälfte vom Phänomen Pop-Islam angesprochen fühle, seien andere eher empfänglich für Internetangebote fundamentalistischer Strömungen: Youtube-Prediger, radikale Texte aus dem Arabischen übersetzt, abrufbar auf ‚relativ professionellen‘ Seiten. Der Verdacht, dass das Geld für diese Materialien aus Saudi-Arabien kommt, sei ’naheliegend‘, erklärt Nordbruch in der „Tagesschau“.
Ein Projekt des Zentralrats der Muslime in Deutschland ist die Seite "waymo.de". "Die Seite soll jugendfrei sein und identitätsstiftend, die Diskussionen moderiert. Auch unter islamischen Gesichtspunkten: Ein Video, auf dem eine Frau in Bikini herum tanze, sei ebenfalls tabu", erklärt deren Betreiber Humaam Mazyek. Tatsächlich biete das Internet sehr positive Möglichkeiten für Migranten, sagt der Integrationsforscher Haci Halil Uslucan vom Zentrum für Türkeistudien in Essen. "Mädchen aus konservativen Elternhäusern können virtuell rauskommen", sagt er. Das Netz sei ein Forum für Kommunikation, bei dem die Hemmschwellen gering sind – denn für eine Antwort kann man sich Zeit lassen. So werden Sprachbarrieren geringer – für eine "Teilhabe ohne Hilflosigkeitserfahrung", erklärt Uslucan. (pro)