Mit Hochdruck für den Nächsten

Es gibt nicht viele Menschen, deren Nachname es in den Duden geschafft hat. Johannes Kärcher ist einer von ihnen. Der Firmenerbe ist nicht nur Unternehmer, sondern hält auch Bibelarbeiten auf Kirchentagen.
Von Nicolai Franz
Protestant und Familienunternehmer: Johannes Kärcher

Wer heute seine Hofeinfahrt mit einem Hochdruckreiniger vom Moos befreit, der „kärchert“ seine Pflastersteine – unabhängig davon, welches Fabrikat das Gerät tatsächlich hat. Die Firma Kärcher, ein schwäbisches Familienunternehmen mit Sitz in Winnenden, erwirtschaftete 2018 einen Jahresumsatz vom 2,5 Milliarden Euro und ist nach eigenen Angaben Marktführer – ein echter global player. Wer steckt hinter dem großen Namen?

Der Mann, der an diesem Januarmorgen die Büroräume der Christlichen Medieninitiative pro betritt, wirkt nicht wie ein Jetlag-geplagter Geschäftsmann, wie man vermuten könnte. Äußerlich könnte Kärcher in seinem gestreiften Hemd und seinem lockeren Sakko auch als Studienrat durchgehen. Er stellt sich jedem Mitarbeiter einzeln vor, nimmt sich Zeit für jeden und entschuldigt sich im Voraus, dass er sich nicht alle Namen merken könne.

Der Firmenerbe wurde 1950 geboren. Sein Vater Alfred gründete die Firma, die später wie mehrere schwäbische Unternehmen Weltbekanntheit erlangen sollte. Alfred Kärchers Tod 1959 war für die Familie ein schwerer Schlag. Seine Frau Irene musste sich um die Firma und ihre 150 Mitarbeiter kümmern. Zwar hatte sie die Verantwortung zunächst einem Generalbevollmächtigten übergeben, die Regelung scheiterte aber aufgrund verschiedener Differenzen, wie Kärcher berichtet. Für den achtjährigen Johannes und seine erst zwei Jahre alte Schwester Susanne habe es sich angefühlt, als ob sie Vater und Mutter gleichzeitig verloren hätten. Er zog zur Großmutter, sah seine Mutter nur noch am Wochenende. Doch auch dann musste er sie mit ihrem Freund teilen. Irene Kärcher bewies indes ein glückliches Händchen in der Firma und traf wegweisende Entscheidungen wie die Konzentration ausschließlich auf Hochdruckreiniger. „Sie konnte gut mit Menschen umgehen – und außerdem die Männer von allzu starker Rivalisierung abhalten.“

Als Johannes Kärcher älter wurde, entschied er sich für ein Jurastudium. Er wollte der Firma zwar helfen – doch nie so abhängig von ihr sein wie seine Mutter. Rechtswissenschaften erschienen ihm dafür ideal. Drei Tage vor der mündlichen Assessorprüfung zum Zweiten Staatsexamen tagte die Familie Kärcher. Der fünf Jahre zuvor gegründeten Niederlassung in Brasilien ging es schlecht. Der deutsche Geschäftsführer und sein Kollege in Brasilien hatten Probleme miteinander. Johannes Kärcher erhielt den Auftrag, für zwei Jahre „nach dem Rechten zu sehen“. Für Kärchers eigene junge Familie keine leichte Entscheidung. Seine Frau war mit dem zweiten Kind schwanger, das erste erst ein Jahr alt. Trotzdem wagten die Kärchers den Schritt in eine andere Kultur. Aus den zwei Jahren wurden acht. In dieser Zeit habe er gelernt, ein Unternehmen zu führen, erinnert sich Kärcher heute. Ein Jahr nach seiner Rückkehr nach Deutschland Ende 1988 starb Irene Kärcher. Auch Probleme in der Firma forderten die Familie heraus. Vier Jahre lang leitete der Firmenerbe die technische Geschäftsführung – obwohl er inhaltlich kaum Bescheid wusste. Umso mehr habe er es geschätzt, erinnert er sich, wie seine Mitarbeiter der zweiten Leitungsebene ihn unterstützt hätten.

Brasiliens Kampf gegen Korruption

Vier Jahre später gab es in Brasilien wieder Probleme, die Niederlassung stand vor dem Aus. Also zog es Kärcher erneut nach Südamerika, diesmal jedoch alleine. Seine Ehe war zerbrochen, auch seine drei Kinder blieben in Deutschland. Der Unternehmer hat insgesamt sechs Kinder von drei verschiedenen Frauen, davon zwei Brasilianerinnen. Seit einigen Jahren ist er mit einer Armenierin verheiratet, die ebenfalls ein Kind in die Ehe brachte.

Zwar lebt Kärcher schon seit einigen Jahren in Deutschland, doch unverkennbar hat ihn Brasilien geprägt. Auch die Schwierigkeiten im Land. Die deutsche Medienlandschaft zeichnet ein düsteres Bild der brasilianischen Regierung und des Präsidenten Jair Bolsonaro. Kärcher, der 20 Jahre im Land gelebt hat, kann dem umstrittenen Politiker aber auch Gutes abgewinnen. Nach Jahrzehnten der Korruption gebe es nun eine Regierung, die konservative Anliegen vertrete. „Die sagen: Für uns ist nicht LGBT das wichtigste, sondern die Familie.“ Auf YouTube könne man sehen, wie der jetzige Justizminister Sérgio Moro den Ex-Präsidenten Lula da Silva wegen Korruptionsvorwürfen vernimmt. Dass es im von Korruption durchsetzten System Brasiliens doch Menschen gibt, die sogar Präsidenten ins Gefängnis bringen, beeindruckt den Volljuristen Kärcher. Bolsonaro habe zwar ein loses Mundwerk, gibt er zu. Aber immerhin lasse er sich nicht kaufen. Es gehöre Mut dazu, sich konservativ zu positionieren, „weil die gesamte Richtung in Brasilien in den letzten 30 bis 40 Jahren kulturmarxistisch war“. Zudem sei es problematisch, wenn westliche Menschen andere Kulturen mit ihrer eigenen Wertebrille beurteilten.

Vermögen muss dem Nächsten dienen

Seit Kärcher wieder in Deutschland ist, engagiert er sich in verschiedenen ehrenamtlichen Tätigkeiten. Weil er nicht mehr im Alltagsgeschäft eingebunden ist, hat er viel Zeit zum Lesen. Besonders interessiert er sich für Philosophie. Wenn er über Brasilien, die Wirtschaftsordnung in Deutschland und den christlichen Glauben spricht, gelangt er schnell zu Denkern wie Viktor Frankl, Martin Buber und seinem „dialogischen Prinzip“, zu Simone Weil oder Jean-Jacque Rousseau – dessen allzu optimistisches Menschenbild er ablehnt. Auf Kirchentagen hat er bereits vier Bibelarbeiten gehalten, zum Beispiel über den Mammon oder das Erlassjahr. Aus seinem protestantischen Glauben macht Kärcher keinen Hehl, er trägt ihn aber auch nicht auf der Zunge, wie man es von schwäbischen Unternehmern erwarten würde, die nicht selten pietistisch geprägt sind. Mit solchen Zuschreibungen kann Kärcher wenig anfangen. Im Gespräch mit pro zitiert er frei aus der Johannespassion von Johann Sebastian Bach: „Wir sollen ihm für sein gelehntes Gut die Zinse nicht in die Scheuren bringen.“

Kärcher leitet daraus ab: Unser Körper, unser Geist, all unser Besitz ist nur geliehen. Der Mensch hat die Aufgabe, damit gut hauszuhalten und anderen davon abzugeben. Die Waiblinger Kreiszeitung nannte Kärcher einmal „Prototyp eines von protestantischer Ethik geprägten Kapitalisten“. In der Tat setzt sich der Familienunternehmer für gelebte Werte im Unternehmen ein. Kärcher ist zusammen mit seiner Schwes­ter Susanne Zimmermann von Siefart, deren zwei Kindern und seinen drei erwachsenen Kindern Gesellschafter der Firma Kärcher. Die Unternehmensführung überlässt er größtenteils seinen Managern, die seien doch viel dichter am Markt und sähen die Chancen, auch die Widerstände. Er selbst greife nur ein, wenn er grundsätzliche Bedenken habe – und dann auch nur, wenn alle Gesellschafter, also der Rest der Familie, sich einig seien. Noch nie habe das Unternehmen die Gewinne an die Gesellschafter, also an die Familie Kärcher selbst, ausgeschüttet, sondern immer wieder in das Unternehmen investiert. Diese Einstellung zur Firma würden die Mitarbeiter merken. „Wenn sie sehen, dass ich wie alle in der Kärcher-Kantine zu Mittag esse und mit meiner B-Klasse auf den Hof fahre“, sei das eben auch eine Aussage. Vermögen, davon ist Kärcher überzeugt, solle nicht dem eigenen Wohl dienen, sondern anderen Menschen zugute kommen: „Der Pietist würde sagen: Dann isch Säge druff.“

Von: Nicolai Franz

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