PRO: Frau Mehltretter, mit dem E-Bike wollen Sie ein Jahr lang durch Europa reisen, um mit Christen verschiedener Denominationen ins Gespräch zu kommen. Warum?
Carola Mehltretter: Seit einigen Jahren stelle ich mir die Frage, warum die einzelnen christlichen Denominationen häufig ihr eigenes Süppchen kochen. Ich selbst bin als Kind mit meiner Familie häufig umgezogen und habe dadurch viele verschiedene Gemeinden und christliche Gruppierungen kennengelernt. Schon damals hat mich irritiert, dass untereinander häufig gegenseitige Vorurteile vorherrschen.
Durch Jobs im christlichen Bereich und mein Engagement in Gemeinden ist in mir der Wunsch gewachsen, auf Social Media ein Projekt zu starten, das Christen aus verschiedenen Kontexten zusammenbringt. Ich persönlich empfinde den Austausch mit anderen Christen als sehr bereichernd.
Wie soll das konkret auf Social Media aussehen?
Aktuell veröffentliche ich jede Woche ein Video auf dem Youtube-Kanal „Rooted as one“. Dort nehme ich die Zuschauer mit auf meine Reise. Manchmal ist das nur ein Fokuserlebnis oder ein Highlight und manchmal auch die ganze Woche. Das Ganze soll den Charakter eines Vlogs (Videoblog; Anm. d. Red.) haben.
Es geht also nicht um ein klassisches Reisetagebuch?
Genau. Es geht nicht um Carola, die mit dem Fahrrad Europa bereist. Mir ist wichtig, dass der Fokus immer auch auf einem Projekt oder einer Person liegt, der ich begegne. Dafür will ich einen Raum schaffen. Wenngleich natürlich auch die Reise als solche ein Thema sein wird.
Wie werden die verschiedenen Christen oder Projekte in Ihren Videos sichtbar?
In meinem ersten Video habe ich das Gebetshaus in Augsburg besucht und von meinen Eindrücken erzählt. Dort habe ich auch mit Mitarbeitern gesprochen. Diese Interviews sind beispielsweise auch in den Videos zu sehen.
Die Idee, Christen verschiedener Denominationen in ganz Europa kennenzulernen ist das eine. Etwas anderes ist, diese Reise mit dem E-Bike zurückzulegen. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Ich bin während der Pandemie regelmäßig mit dem E-Bike gefahren und habe als Stadtmensch die Zeit in der Natur ganz neu zu schätzen gelernt und viel Kraft daraus gezogen. Ein wichtiger Punkt ist aber zweifellos auch der finanzielle Aspekt. Also wie kann ich möglichst kostengünstig reisen? Zum anderen soll die Art des Reisens natürlich auch für die Zuschauer interessant zu verfolgen sein – auch wenn es für mich natürlich wesentlich herausfordernder ist.
Sie sprechen es gerade an. Sie sind im März gestartet, also eher in der dunklen, nassen und kalten Jahreszeit. Wie sind die ersten Erfahrungen?
Ich wusste ja, dass es herausfordernd wird, hätte aber nicht gedacht, dass es so herausfordernd wird. (lacht). Ich bin direkt in meiner ersten Woche auf dem Rad krank geworden und musste deswegen die eine oder andere Bahn mehr nehmen, als ich eigentlich geplant habe. Ich lerne aber gerade auch, dass es immer eine Lösung gibt – und dass es Menschen gibt, die helfen. Bisher hatte ich fast jeden Tag einen Moment, der mich zweifeln lässt. Aber ich glaube, dass nicht nur ich, sondern auch die Zuschauer davon etwas lernen können. Ich vergleiche meine Reise gern mit einem neuen Job. Auch da muss man sich am Anfang erst reinfinden und erlebt vielleicht Rückschläge.
In einem Job verdient man Geld. Wie finanzieren Sie Ihre Reise?
Aktuell finanziere ich mich selbst, lebe also von meinem Ersparten und von der Unterstützung meiner Familie. Von Spenden lebe ich nicht und will das aktuell auch nicht. Es gibt viele andere gute Projekte, die verdienen, von Spendern unterstützt zu werden.
Auf Ihrer Liste stehen neben Deutschland auch beispielsweise Polen, das Baltikum, Teile Skandinaviens oder die Iberische Halbinsel. Das klingt auch nach einer großen sportlichen Herausforderung.
Ja, definitiv. Wobei die Reise für mich keine sportliche Challenge ist. Das ist weder Ziel des Projektes, noch wäre das ich. Ich bin auch nicht super trainiert. Deswegen greife ich auch auf das E-Bike und lege manche Strecken mit der Bahn zurück. Aktuell fahre ich täglich circa drei bis dreieinhalb Stunden, bleibe aber manchmal auch länger als ein Tag an einem Ort.
Ihr Projekt heißt „Rooted as one“. Was bedeutet das für Sie?
Auf Deutsch heißt „Rooted as one“ – „verwurzelt als Eins“. Und ich glaube, dazu hat Gott uns berufen. Das sehe ich als meine Grundlage, etwas zu schaffen, das genau das fördert. Ich allein kann sicherlich nicht dafür sorgen, dass sich die christliche Gemeinde als „Eins“ sieht. Aber ich versuche, dazu etwas beizutragen. Ich glaube, das kann aber nur funktionieren, wenn wir überhaupt wissen, wen es überhaupt gibt, außer uns selbst. Und damit meine ich nicht, welche Gemeinden gibt es noch in unserer Stadt, sondern auch über Grenzen und Denominationen hinaus.
„Rooted“, beziehungsweise „to root for somebody“ hat eine weitere Bedeutung: Jemanden anfeuern. Ich wünsche mir, dass wir uns als Christen als eine Familie mehr einander anfeuern, anstatt nur das Trennende negativ zu betonen. Ich wünsche mir, dass jeder von uns auf seine Mitchristen zugeht und Begegnung sucht. Und hoffe, dass ich durch meine Reise dazu inspirieren kann.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Mehltretter.