Wie soll „Das Christliche Zeugnis in einer multireligiösen Welt“ aussehen? Das haben sich der Ökumenische Rat der Kirchen, der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog und die Weltweite Evangelische Allianz auch gefragt. Über einen Zeitraum von fünf Jahren haben deren Vertreter darüber beraten und schließlich Richtlinien erarbeitet. Die sind in einem Dokument mit gleichlautendem Untertitel festgehalten, die Überschrift fasst die Stoßrichtung treffend zusammen: „MissionRespekt“.
Das war 2011. Seitdem wurde das Papier in mehreren Konferenzen diskutiert, Leitern und Verantwortlichen in Kirchen und Gemeinden nahegebracht und von Christen „an der Basis“ mit der Realität konfrontiert. Auf einer Tagung am Donnerstag in Mainz hat der deutsche Trägerkreis von „MissionRespekt“ ein Resümee darüber gezogen, wie das Papier hierzulande wahrgenommen wurde – und was im Sinne dieser „Mission“ noch zu tun ist.
„Mission gehört zutiefst zum Wesen der Kirche“, stellen die Autoren des Dokuments fest. Was genau sie unter „Mission“ verstehen, definieren sie nicht. Doch es wird deutlich, dass Mission vor allem gemeint ist als Dialog mit Menschen anderen oder keines Glaubens, als Zeugnis und Bekenntnis. Christen sollen dabei diesen Menschen und ihren Überzeugungen respektvoll und mit Achtung begegnen, Gewalt und Machtmissbrauch ablehnen, interreligiöse Zusammenarbeit anstreben, niemandem die eigene Kultur und Glaubensvorstellung aufzwingen, heißt es in den zwölf Prinzipien. Das Papier versteht sich nicht als theologische Erklärung zum Thema Mission, es dreht sich um praktische Fragen, das „Wie“ von Mission – aber nicht um die Methode, sondern die Ethik.
Vetter: „Mehr interreligiöse Kompetenz“
Wenn sich Christen verschiedener Konfessionen, Frömmigkeiten, Nationalitäten auf gemeinsame Positionen des kirchlichen Selbstverständnisses einigen, ist das ein nicht zu unterschätzender Ausdruck für die Einheit des „Leibes Christi“. Das findet auch Ekkehart Vetter, Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA): „Allein die Tatsache, dass es dieses Dokument gibt und es in dieser konfessionellen Breite unterstützt wird, ist bedeutungsvoll“, sagte er im Gespräch mit pro. Die DEA gehört mit rund zwanzig anderen kirchlichen Bünden und Missionswerken, etwa der Deutschen Bischofskonferenz, der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen oder dem Evangelischen Missionswerk, zum deutschen Trägerkreis von „MissionRespekt“.
Vetter freut sich über die Einigkeit darüber, wie Mission aussehen soll. „Man hat bei dem Wort ‚Mission‘ oft ‚Zwangschristianiserung‘ im Ohr. Dabei geht es darum, erst einmal den anderen zu verstehen, zuzuhören, Gottes Liebe weiterzugeben, und nicht ihm zuerst eine Wahrheit einzutrichtern.“ Wenn es um eine theologische Bewertung von Mission geht, sieht Vetter aber durchaus Reibungsflächen zwischen den Kirchen.
Die Aufgabe für die Zukunft sei es, die Inhalte von „MissionRespekt“ vorzuleben und in die Gemeinden zu bringen. „Es ist wichtig, dass die Menschen an der Basis so etwas wie eine interreligöse Kompetenz entwickeln“, sagte er auf der Mainzer Tagung. Dass die Empfehlungen des Papiers dabei hilfreich sein können, bestätigte Ansgar Hörsting, Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden. Er berichtete, wie die Richtlinien den Freien Gemeinden konkret im Umgang mit Flüchtlingen geholfen hätten – und auch in der Kommunikation nach außen, wenn es kritische Anfragen zum Engagement der Christen in der Flüchtlingshilfe gab.
Für Muslime missverständlich
Eine Außensicht auf das Missionspapier gab Etrogul Sahin, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Islam-Institut der Universität Frankfurt am Main. Er blicke neidvoll auf das Dokument, sagte er. „Es zeigt, dass konfessionelle Barrieren überwunden werden können trotz theologischer Unterschiede.“ Solche gemeinsamen Positionierungen seien auf muslimischer Seite kaum zu finden. Er kritisierte jedoch, dass „MissionRespekt“ an vielen Stellen zu allgemein formuliert sei. Mehrdeutige Begriffe wie „Reich Gottes“ oder selbst „Respekt“ könnten zu Missverständnissen bei Muslimen oder anderen Andersgläubigen führen. Vor allem bleibe unklar, ob das Ziel von Mission eine Bekehrung zum christlichen Glaube sei. Eine solche Auffassung von Mission könne zu Problemen im Interreligiösen Dialog führen, „wenn der Dialogpartner das Gefühl hat, er soll bekehrt werden“.
Zum Abschluss der Konferenz machte der evangelische Bischof von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, in einem Gottesdienst deutlich: „Unser Leben, nicht unser Reden, ist das größte Zeugnis des Glaubens.“ Die Hinwendung zur Welt und zu anderen Menschen setze voraus, sich selbst von Christus verändern zu lassen. Dadurch werde das christliche Zeugnis glaubwürdig. Hein betonte außerdem, es gehöre zu einem respektvollen Umgang, „zu wissen, was andere Menschen bewegt und sie in ihrem Herzen bestimmt. Gewollte Unkenntnis und blindes Nachsprechen von Vorurteilen sind respektlos!“
Mit der jetzigen Tagung hat die Arbeit des Trägerkreises von „MissionRespekt“ ein Ende. Das Thema selbst wird die Kirchen weiterhin beschäftigen. „Wir wollen uns den Themen weiter stellen, wie wir als Christen sprachfähig sein können und wie das christliche Zeugnis auf Augenhöhe geschieht“, sagte etwa Rosemarie Wenner, stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. Ab 2019 soll es eine internationale missionswissenschaftliche Tagungsreihe geben, auf der Vertreter verschiedener Konfessionen und Weltregionen über Grundfragen des Glaubens sprechen. Los geht es mit der Frage: Wer ist Christus für uns?
Von: Jonathan Steinert