pro: Herr Rink, wie beurteilen Sie den vom Bundestag beschlossenen Syrien-Einsatz der Bundeswehr?
Sigurd Rink: Ich verstehe, warum unser Parlament sich zu diesem Entschluss durchgerungen hat, der allen Beteiligten nicht leicht gefallen ist – und den sie sich nicht einfach gemacht haben. Am Ende war wohl die Solidarität mit unseren europäischen Nachbarn entscheidend – und die Erkenntnis, dass der Terrorismus nicht nur ferne Weltregionen bedroht, sondern uns alle.Nach dem Verständnis der EKD-Denkschrift „Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen“ darf militärische Gewalt nur als letztes Mittel bei andauernden schwersten Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden. Ist dies jetzt der Fall?
Das ist genau das Problem, das Sie beschreiben: Wie lange soll – und muss – die Weltgemeinschaft auf zivile Konfliktlösung hoffen? Und wann soll – und muss – sie zum äußersten Mittel greifen? Da sind durchaus Stimmen zu hören, die die „andauernden schwersten Menschenrechtsverletzungen“ bereits gegeben sehen; seit Jahren erfahren wir Schrecklichstes aus dem Herrschaftsbereich des IS.Was sind Alternativen zu einem militärischen Vorgehen, um die Gewaltspirale zu durchbrechen?
Im besten Fall kann die Anwendung von militärischer Gewalt für eine befristete Zeit Rahmenbedingungen sichern für politisches und ziviles Handeln. Genau das ist der Hoffnungsschimmer: Wenn die Beschlüsse der Konferenz von Wien (Syrien-Konferenzen Ende Oktober und Mitte November, d. Red.) tatsächlich umgesetzt werden können, gibt es eine Zukunft der Region.Welche Konsequenzen kann dieser Bundeswehreinsatz haben?
Natürlich hoffe und bete ich, dass die unkontrollierte Gewalt- und Schreckensherrschaft und das Leid in Syrien und der gesamten betroffenen Region möglichst bald zu einem Ende kommen und dass ein selbstbestimmtes, friedliches und erfülltes Leben dort wieder möglich wird. Das kann der Militäreinsatz nicht allein sicherstellen – und ganz bestimmt nicht mit einigen deutschen Aufklärungsflugzeugen und einer Fregatte – aber wenn es gelänge, durch gemeinsames militärisches Handeln einen echten Friedensprozess zu ermöglichen, wäre das der beste Ausgang, den der Einsatz haben kann.„Krieg macht alles nur noch schlimmer“, sagte Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht bei der abschließenden Beratung über den Militäreinsatz. Unschuldige Menschen würden durch den Einsatz getötet. Macht dieser Militäreinsatz „alles noch schlimmer“? Kann er dem Frieden in einer Weise dienlich sein?
Leider gibt es aus der Vergangenheit genug Beispiele, wo es genau so gekommen ist, wie die Kritiker es befürchtet haben. Das weiß auch der Bundestag und das wissen auch diejenigen Abgeordneten, die sich letzten Endes trotzdem anders entschieden haben als Sahra Wagenknecht und ihre Fraktion. Wenn alles Menschenmögliche bedacht und getan ist, bleibt immer noch das Risiko des Fehlschlags. Aber wir hoffen, dass es anders kommt, dass die Bundeswehrangehörigen zu einer guten Lösung beitragen. Und ich vertraue darauf, dass diese Bundeswehrangehörigen und alle Menschen, auf die sich ihr Tun auswirkt, bewahrt bleiben und zum Frieden kommen.Wie schätzen Sie die Lage der Christen im Nahen Osten im Rahmen der Kämpfe in Syrien und des Bundeswehreinsatzes in dem Land ein?
Es ist sehr schwer, ein realistisches Bild von der Lage vor Ort zu bekommen. Wir haben persönliche Kontakte in die Region, aber das sind nur Einzelausschnitte. Vielleicht müssen wir in dieser Phase des Konfliktes unsere Ohnmacht einräumen und einen ähnlichen Satz formulieren, wie ihn Papst Johannes Paul II seinerzeit sagte: Die Menschen in Syrien und im Irak müssen wir in Gottes Hand legen, aber die Menschen, die von dort zu uns geflohen sind, hat Gott in unsere Hände gelegt.Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Martina Schubert. (pro)