Menschen lesen am liebsten negative Nachrichten

Je negativer die Überschrift ist, desto erfolgreicher ist der zugehörige Online-Artikel, fanden Forscher heraus. Das Wissen darum, welche Nachrichten wie geklickt werden, kann aber auch missbraucht werden.
Von Swanhild Brenneke

Menschen klicken negative Nachrichten im Netz häufiger an. Das hat ein Team aus Wissenschaftlern der Universitäten Gießen, München, Zürich, Stockholm und New York herausgefunden. Die Forscher untersuchten auf der amerikanischen Nachrichtenwebsite Upworthy.com mehr als 105.000 Überschriften von Nachrichtenmeldungen. Diese wurden von mehr als 370 Millionen Menschen angesehen und 5,7 Millionen Mal angeklickt.

Die Forscher ordneten dabei negativ besetzte Begriffe negativen Emotionen wie Angst, Wut oder Trauer zu. Im Gegenzug analysierten sie auch, wie positiv besetzte Wörter geklickt wurden, die sich der Emotion Freude zuordnen lassen. Sie stellten fest: Jedes zusätzliche negative Wort in der Überschrift erhöhte die Klickrate um 2,3 Prozent. Sobald die Überschrift positive Wörter enthielt, sank die Klickrate um etwa ein Prozent.

Je mehr positive Wörter eine Überschrift enthielt, desto stärker sank die Klickrate. Je mehr negative Begriffe eine Nachricht in der Überschrift enthält, desto besser ist die Klickrate, schlussfolgern die Forscher.

Überschriften mit negativen Begriffen waren zum Beispiel „What He Has To Say About Pot Is Going To Make Both Sides Angry, But Here He Goes“ („Was er über Marihuana zu sagen hat, verärgert beide Seiten“) oder „1 Little Girl, 5 Cartoons, And 1 Heartbreaking Answer“ („Ein Kleines Mädchen, fünf Comics und eine herzzerreißende Antwort“).

Upworthy.com wählten die Forscher aus, weil sie eine der ersten und erfolgreichsten Websites für Clickbait-Content sei. Clickbait bezeichnet eine aus medienethischer Sicht kritische Praxis, mit reißerischen Überschriften oder falschen Versprechungen die Aufmerksamkeit der Online-Leser zu gewinnen.

Negatives aus Politik läuft besser

Die Wissenschaftler analysierten auch, welche Nachrichtenthemen in Verbindung mit positiven oder negativen Begriffen am häufigsten geklickt wurden. Es zeigte sich: Artikel aus den Bereichen „Wirtschaft und Politik“, „LGBTQ“, „Erziehung und Schule“ und „Leute“ wurden besonders oft geklickt, wenn sie negative Wörter in den Überschriften enthielten. Andersherum wurden Artikel mit positiven Begriffen in den Überschriften aus den Themenbereichen „Erziehung und Schule“, „LGBTQ“, „Leute“ und „Leben“ besonders wenig angeklickt.

Menschen scheinen sich eher für Nachrichten aus den Bereichen Politik und Wirtschaft zu interessieren, wenn diese negativ sind, folgern die Forscher. Das könne Polarisierung und Konflikte zwischen verschiedenen Interessengruppen verstärken.

Evolutionsbiologische Ursache

Die Ergebnisse der Studie bestätigten damit die Redewendung unter Journalisten „If it bleeds, it leads.“ – zu Deutsch sinngemäß etwa „Wenn es blutig ist, führt es die Nachrichten an“, erklären die Forscher. Dabei seien Online-Medien mittlerweile führend. In den USA informierten sich 89 Prozent der Menschen zumindest zum Teil online über Nachrichten. Gleichzeitig verbrächten die meisten Nutzer weniger als fünf Minuten pro Monat auf allen 25 führenden amerikanischen Nachrichtenseiten zusammen. Online-Medien befänden sich dadurch in einem stetigen Kampf um die Aufmerksamkeit der Leser.

Dass Menschen sich eher für negative Nachrichten interessieren, hänge damit zusammen, dass der Mensch generell eher auf negative äußere Reize reagiere, so die Forscher. Das Gehirn scheine Negatives wichtiger zu bewerten als Positives, weil negative Dinge eher eine Gefahr bedeuten könnten, der man im Notfall ausweichen müsse. Das sei evolutionsbiologisch im Menschen verankert.

Die Wissenschaftler wiesen darauf hin, dass ihre Erkenntnisse auch missbraucht werden könnten. Das Wissen darum, wie Nachrichten konzipiert sein müssen, damit Menschen sie anklicken, könne auch für Fake News und Desinformation genutzt werden, warnten sie.

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