Meinungsfreiheit unter Druck

Weniger als die Hälfte der Deutschen glaubt, dass man seine Meinung frei sagen kann. Das zeigt eine aktuelle Allensbach-Umfrage.
Von Norbert Schäfer
Meinungsfreiheit ist im Grundgesetz garantiert. Die Bereitschaft jedoch, sich auch mit anderen Meinungen zu befassen, sei gesunken, meint der Journalist Gunnar Schupelius.

Ein Großteil der Deutschen sieht aktuell die Meinungsfreiheit in Gefahr. Das geht aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach hervor, die die Frankfurter Allgemeine Zeitung am Mittwoch veröffentlichte.

Bei der Umfrage im Juni 2021 sagten 45 Prozent der Befragten, dass man seine Meinung frei sagen könne. 44 Prozent konnten der Aussage nicht zustimmen. Befürchtet würden laut dem FAZ-Artikel vor allem gesellschaftliche Sanktionen, etwa wenn man gegen die Regeln der „Political Correctness“ verstoße. Äußerungen über den Islam und Muslime bewerteten 15 Prozent der Befragten 1996 als „heikel“ – heute sehen das 59 Prozent so. Auch Äußerungen über „Vaterlandsliebe“ und „Patriotismus“ würden heute (38 Prozent) mehr als doppelt so häufig als „heikel“ bewertet als noch vor 25 Jahren (16 Prozent).

„Bereits seit einiger Zeit zeigt sich […], dass das Freiheitsgefühl der Bürger rückläufig ist“, schreibt Thomas Petersen vom Institut für Demoskopie Allensbach am Mittwoch unter der Überschrift „Die Mehrheit fühlt sich gegängelt“. Demnach wurde seit 1953 bei Allensbach-Umfragen immer wieder die Frage gestellt: „Haben Sie das Gefühl, dass man heute in Deutschland seine politische Meinung frei sagen kann, oder ist es besser, vorsichtig zu sein?“ Bis ins vergangene Jahrzehnt hinein hätten stets mehr als zwei Drittel der Befragten diese Ansicht vertreten.

„Intellektuelle Diskussionen von der Lebenswirklichkeit der Bürger entkoppelt“

Laut dem FAZ-Artikel empfanden Befürworter der Grünen am wenigsten Druck auf das Meinungsklima. Auch Parteigänger der Union fühlten sich in ihrer Meinungsäußerung „überdurchschnittlich frei“, Anhänger der AfD, der FDP und der Linken hingegen vertraten mehrheitlich die Ansicht, man müsse mit seiner Meinung vorsichtig sein.

Petersen führt in dem Artikel Phänomene wie „Cancel Culture“ – nur 24 Prozent der Befragten hätten überhaupt davon gehört – und das Gendersternchen an, um zu fragen, wie „die Diskrepanz zwischen den Sprach- und Verhaltensnormen der Bürger und der Wahrnehmung dessen zustande kommt, was gesellschaftlich geduldet wird und was nicht“. Der Meinungsforscher verweist dabei auch auf die Rolle der Massenmedien. „Ohne sie könnte ein ein solcher öffentlicher Druck gegen die Einstellungen der Mehrheit nicht aufgebaut werden“, schreibt er. „Es spricht einiges dafür, dass sich die intellektuellen Diskussionen um solche Themen – einschließlich der Diskussion in maßgeblichen Massenmedien – teilweise von der Lebenswirklichkeit der Bürger entkoppelt haben.“

Der Meinungsforscher sieht Konfliktpotential. 55 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu: „Ich weigere mich mit Absicht, meine Ausdrucksweise anzupassen und mich politisch korrekt auszudrücken, weil es mich nervt, wenn andere versuchen, mir ihre Sprachregelungen aufzudrängen.“ Wer versuche, Regeln zu setzen, derer sich die Mehrheit verweigere, sei am Ende machtlos, schreibt Petersen.

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8 Antworten

  1. Die Massenmedien, insbesondere die ÖR tragen hier eine besondere Verantwortung, alle gesellschaftlichen Stimmen zu Wort kommen zu lassen.
    Aktuell befragt gerade die ARD die Bürger zu ihren Wünschen und Ideen an das Programm.
    Sicher ist es hilfreich, sich dort direkt zu äußern und auf wahrgenommene Mängel, Einseitigkeiten oder Beeinflussungsversuche hinzuweisen:
    https://www.ard-zukunftsdialog.de/

    s.a. hier: https://www.pro-medienmagazin.de/zukunftsdialog-ard-bittet-um-buergermeinung/

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  2. Man propagiert zurzeit stark das „woke“-Sein. „Bild.de“ hat einen interessanten Artikel dazu veröffentlicht. Die Zigeunersauce wird verbannt, der Ort Negernbötel bei Bad Segeberg soll umbenannt werden, obwohl dessen Name aus dem Plattdeutschen stammt und nie etwas mit Afrikanern zu tun hatte. Geschlechterforscher Lann Hornscheidt fordert zum Schutz vor Diskriminierung statt „der/die“ oder „ein/eine“ nur noch „ens“ zu sagen – also „ens Mann und ens Frau gehen in ens Haus“ („Ens“ ist die Mitte des Wortes „Mensch“). Verkleiden sich Kinder als Indianer oder Scheich, ist das inzwischen unkorrekt. Und wer noch unbeschwert Schach spielt: Auch das ist offenbar problematisch – weil die weißen Figuren den ersten Zug machen dürfen.

    Die so genannte 1968er Revolution hat in vielen Lebensbereichen gezeigt, wie eine selbsternannte elitäre Minderheit die meist schweigende Mehrheit vor sich hergetrieben hat. Auch Cancel Culture, woke-Sein oder wie man das alles nennt, oktroyiert der Mehrheit den Willen einer von der Lebenswirklichkeit abgehobenen Minderheit.

    Mein Fazit: Deutschlands Christen sind zu brav. Denn Beispiele der jüngsten Zeit zeigen, dass mit der Meinungs- auch die Glaubensfreiheit merklich bedroht ist.

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    1. volle Zustimmung!!!!!!!!!!!!! Ja die Christen sind wir zu brav. Es ist eben wie beim Frosch und dem heissen Wasser. Wenn man langsam aufdreht bleibt er sitzen und stirbt. Den Wurf ins heisse Wasser lässt ihn sofort wieder herausspringen. Und viele Christen sitzen eben in dem warmen Wasser und meinen das und jenes können wir noch alles akzeptieren. Die vielen kleinen Schritte haben die Veränderung herbeigeführt. Wenn nun aber am 23.6. Abtreibung als Menschenrecht im EU Parlament diskutiert wird weiss ich nicht was es noch braucht um zu wissen, was die Stunde geschlagen hat

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  3. @Maik
    Wenn Sie annehmen, dass links/grün eingestellte Mitarbeiter des ÖR nicht objektiv berichten würden, müsste man das den anders politisch eingestellten doch auch unterstellen. Aber vielleicht ist es so, dass Journalisten aller politischer Couleur ihre Arbeit nach journalistischen Kriterien machen.

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  4. @Alexandeer Löhndorf

    „Wenn Sie annehmen, dass links/grün eingestellte Mitarbeiter des ÖR nicht objektiv berichten würden, müsste man das den anders politisch eingestellten doch auch unterstellen“

    Das mag sein nur ist mir das noch nie aufgefallen. Hätten Sie vielleicht ein Beispiel?

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  5. Den Leuten“ aufs Maul schauen“ ist einguter Ratschlag. Im Osten gibt es das Gefühl abgehängt und nicht ernst genommen zu werden.
    Ist das den Volksvertretern bewusst? Die AfD fördert dieses Gefühl auf eine unakzeptale Art.
    Es ist von den Politikern darum Kleinarbeit gefordert mit akzeptaler Annahme des anders Denkenden. Auf in die Regionen!!!

    Dieter Herten Jever

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