„Glaubst du noch?“, fragt die Bild am Sonntag (BamS) auf dem Titel ihrer aktuellen Ausgabe. 56 Prozent der Deutschen gehört noch einer der beiden großen Kirchen an. Eine Emnid-Umfrage im Auftrag der Zeitung fragte die Deutschen, als wie christlich sie ihr Land noch empfinden. Die Ergebnisse zeichnen ein dunkles Bild für die Kirche und die christlichen Werte in Deutschland. 54 Prozent der Deutschen aus den alten Bundesländern und 84 Prozent der Deutschen aus den neuen Bundesländern sind laut der Umfrage der Meinung, dass in Deutschland christliche Werte keine oder kaum eine Rolle spielen. „Heute glauben wir an alles Mögliche. […] Aber die Kirche ist vielen von uns egal“, schreiben Holger Karkheck und Miriam Hollstein in ihrem Artikel.
Bundeskanzlerin Angela Merkel rief kürzlich die Deutschen auf, wieder mehr christliche Weihnachtslieder zu singen und Blockflöte zu spielen. Dafür erhielt sie Gelächter und einen Shitstorm. Die BamS-Autoren meinen: „Statt zu lachen, sollten wir nachdenken: Was macht unsere Identität aus? Worauf fußt unsere Gesellschaft?“ Europa sei „nicht trotz, sondern wegen des Christentums eine humanistische, also menschliche Gesellschaft (geworden). Luther machte das Volk mündig. […] Er erneuerte die Kirche, indem er sich auf alte christliche Werte besann“.
Geißler: Brauchen neuen Luther
Unterdessen halten nur 31 Prozent der Befragten die Katholische Kirche noch für zeitgemäß, 58 Prozent der Umfrageteilnehmer die evangelische Kirche. Ob Glauben ohne die Kirche gehe? „Natürlich kann man aus der Kirche austreten und glauben, was und wie man will.“ Die Kirche sei aber „ein Mannschaftssport“. Mit 11,46 Milliarden Euro Kirchensteuer-Einnahmen war 2015 ein Rekordjahr. Aber 42 Prozent der Befragten würde die Kirchensteuer am liebsten abschaffen.
Der ehemalige Jesuitenschüler und CDU-Generalsekretär Heiner Geißler vertritt gegenüber der BamS die Meinung, dass die Kirche einen neuen Reformator benötige. „Wir brauchen einen neuen Luther, der heute die Kirchen fragen müsste, warum leistet ihr gegen die antichristlichen und unmoralischen Kräfte, die die Welt beherrschen, keinen Widerstand wie ich ihn damals gegen Rom entwickelt habe?“ Der neue Luther würde nach der Vorstellung Geißlers „die Vorherrschaft der Kapitalinteressen“, „die Ökonomisierung aller Lebensbereiche“ und die globale Armut geißeln.
Anlässlich des Reformationsjubiläums veröffentlichten die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und die Welt am Sonntag Beilagen, die sich Martin Luther, seiner Arbeit und der Relevanz seines Wirkens für die heutige Zeit widmen. (pro)Von Calenberg: Eine Mutter der Reformation (pro)
Spiegel über Luther: „Der erste Wutbürger“ (pro)
Medien zeichnen positives Bild Luthers (pro)